100 Jahre KaMUVi-Zeitung

Narren-Organ einst mit Strafe bedroht

Seit 1928 markant: der Zeitungskopf von Karl Kaiser mit dem Kater, der über die Dächer zieht; vor sich die Spießbürger und hinter sich die Narrenschar.

Noch liegt einiges im Dunkel zu den Ur-Zeiten der Villinger Fasnet. Dies gilt auch für die Katzenmusik von 1872, zu deren Entstehen es so gut wie keine Aufzeichnungen zum vermeintlichen Gründungsjahr 1872 gibt. Wäre da nicht der Hinweis auf den Umzug in jenem Jahr, zu dem das Moto hieß: 

„Militärischer Durchzug aller Gruppen der am Krieg beteiligten Nationen nebst Telegraphisten.“

Dies passt nun dazu, dass nach dem 1870/71-er Krieg nicht nur rückkehrende junge Soldaten sich mal wieder ausgelassen „daneben benehmen“ wollten, sondern dass auch das “niedere Volk“, das sich ein Narro-Häs nicht leisten konnte, mal gehörig über die Stränge schlagen wollte.

Am besten laut und schräg und eben musizierend, wie es schon die Gesellen der  Maier‘schen Werkstatt für Uhrenschilder lautstark vormachten.  Alles war so grässlich schön, dass es nur „Katzenmusik“ sein konnte.

Auf die „Lang‘sche Kapelle“ folgte die „Kunersche“, und gegen groben Unfug, närrische Beleidigungen und Trunkenheit sollte die „Zug-Bolizei“ einschreiten.

Zur wohl ersten „Villinger Narren-Chronik“ soll es bereits 1896 gekommen sein, doch frühe Exemplar fehlen wohl in der Vereinschronik bis 1910, dem damit 14. Jahrgang.

Diese Ausgabe soll dann aber doch in „erster Linie mit der Katzenmusik“ zu tun  gehabt haben, denn als verantwortlicher Herausgeber gilt ein „Christian Wolber, dekorierter General-Feldmarschall, Armee-Inspektor der närrischen Heerscharen und Hobel-Offizier bei der durstigen Landwehr und Professor für höheren und niederen Blödsinn.“

In der Zeit von 1896 bis 1912 verbot die Obrigkeit so manches Jahr den strafbewehrten Verkauf solcher „närrischen Pamphlete“, weshalb man sich wohl eher zurückhielt, um dann zum 40-jährigen aufzutrumpfen, und 1912 einen „Jubiläumsanzeiger der Katzenmusik“ unters Volk zu bringen.

Die Kriegsjahre bis 1918 verhinderten dann aber weiteres journalistisches Treiben dieser Art, ehe man 1920 wieder die Griffel spitzen konnte. Hervorkam als Gazette die „Lesbare Katzenmusik“, redigiert von einem „staatliche geprüften Zugvogel und Schriftsteller“ namens Fritz Vogel.

Ab da ging ‘s jährlich rund, und das schon zum 50-jährigen im Jahre 1922.

Die KaMuVi-Redaktion 1930: Albert Fleig, Johann Baptist Blessing, Karl Kaiser, Dr. Weiß und Franz Luitpold.

Lange unzufrieden mit dem Zeitungskopf waren die Macher, bis 1928 der Kunstmaler Karl Friedrich Kaiser in „überzeugender Form Sinn und Wesen der Katzenmusik“ und ihrer Zeitung auf den Punkt brachte:

der Kater über den Dächern der Stadt treibt die Spießbürger vor sich her und ihm folgt die lachende Narrenschar, für die er mit seiner Laterne jeden Winkel ausleuchtet.

 

Feste Rubrik ist seit 1928 „Aus der Magistratssitzung“, deren lokal-humoristischer Lesestoff so manchem Ratsherren schon dessen Unzulänglichkeiten vor Augen führte.

Einziger Redakteur war einst der Ur-Katze-Musiker Johann Baptist Blessing, der übers Jahr noch mit Tinte in Sütterlin seine Manuskripte fertigte.

Wegen der allzu oft „gut kastrierten“ Berichte in der Tageszeitung bedurfte es jedoch bald der Team-Arbeit in einer „Zeitungskommission“, zu der zunächst „de Halle-Dick, de Feiste Rudolf und de Ummenhofer Ernscht“ zählten.

Dem „höheren und niederen Blödsinn“ schlossen sich der spätere General-Feldmarschall Karl Strittmatter und Ludwig Rapp jun. an.

Als Redaktions-Lehrling der Alten läutete in den 60ern Rolf Windmüller den späteren Generationswechsel ein, wobei sein Beruf als Drucker ihm und seinem Team mit Gisbert Ettwein, Andreas Singer, Manfred Steiert, Werner „Tschäbet“ Hirt, „HaPe“ Jungwirth beste Dienste leistete: treffsicher im Witz und mit pointiert gedrucktem Fasnet-Strähl.

Der redaktionelle Wechsel von Zeichnungen und Karikaturen auf Fotos kam bald, und zum 100-jährigen in 1972 wurde auch der Zeitungskopf von Kaiser koloriert.

Und auch die KaMuVi-Kommission 2020 sieht sich einem KaMuVi-Spruch aus 1897 verpflichtet:

„Und was an Stoff gesammelt wird im Jahre, das bringt der Narr jetzt mit Humor und Witz, denn in der Narrheit liegt das einzig Wahre, wenn sie erleuchtet hat den Hoppediz!“

 

 

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