„Hanselakai, het e‘ schei Wei‘“ – Fischers Büchlein ist ein Fasnet-Schatz
Es gibt haushohe Jubiläen, die viel traditioneller sind und damit doch närrischer sind als der 11., der 22te oder auch ein 33ster Jahrestag. Nämlich der 140te Jahrtag zur Gründung der Narrozunft Villingen 1882. Und der 150. der Katzenmusik Villingen.
Die Erinnerung daran vermerkt von Jahr zu Jahr immer wieder der Blick in ein grau-blaues Büchlein aus 1922 mit genau 100 Seiten, mit exakt vier Fotos, zahlreichen närrischen Versen und Strophen und dem bunten Abdruck eines Narro-Motivs, das als eine der prächtigsten, gemalten Abbildungen des Villinger Narros aller Zeiten gelten muss, und das alles in „Villinger Fastnacht – einst und heute“ von Albert Fischer (1874 – 1952).
Sein geheftetes Büchlein in Dunkelblau widmete er der Narrozunft Villingen zu deren 40 jährigem Jubiläum. Denn 1882 war es, so Fischer in seinem Vorwort,
„als sich eine Anzahl Villinger Narros zusammenschloss und die Narrozunft gründete, …zu dem Zwecke, die Villinger Fastnacht, deren althistorischer Ruf weit über die Schwarzwaldstadt gedrungen war, auch der kommenden Generation unverfälscht zu erhalten, vorab deren Hauptperson, den Narro.“
Und Fischer erinnert gleich im ersten Abschnitt an jenen Fastnachtsmontag, als sich „morgens bei Tagesanbruch die neu gegründete Zunft ihre Narros im damaligen Zunftlokal „Felsen“ beim Zunftwirt Josef Ummenhofer zum ersten geschlossenen Umzug sammelte.
In beträchtlicher Anzahl „hatten sie sich eingefunden…und mit dem zu Pferd paradierenden Narrovater (Fischer benennt das Pferd später als blinden Schimmel) an der Spitze bewegten sich unter allgemeinem Glockengeläute (Rollenschütteln) der Zug durch die Niedere Straße nach dem Marktplatz.“
Dort war es der „humorvolle Ober-Narro jener Tage, Fabrikant August Bracher, der nach einer der Würde des Tages entsprechenden Rede dem Narrovater Singer, genannt „Nagler-Xaveri“, das neue Zunftbanner übergab.
Doch auch den jungen Narros, dem „Samen“ konnte Bracher eine vom Zunftwirt gestiftete Fahne übereichen.
Fischer versäumt zum 40-jährigen nicht, wer damals 1882 zu den „hauptsächlichsten Narros und Gründen gehörtet“: Josef Ummenhofer, Bildhauer und Felsenwirt; der Bäcker Schwämmle; der Metzger Valentin Fleck, genannt „de Schlachthaus-Vali“; Schuhmacher August Fleig, genannt „‘s Schuhmacher-Jörgles Großer“; Schreiner Norbert Mauch; Maler Gustav Singer; der „Nagler-Xaveri“ Landwirt Xaver Singer, Emil Sieber, Steinhauer; Franz Sieber, der Uhrmacher; der Zimmermann Valentin Kaiser und Martin Heby, von Beruf Ausläufer.
In Kapitel IV. von Fischers Büchlein über die Entstehung der Fastnacht, den Villinger Narro, die Fastnachtsumzüge, den allgemeinen Verlauf der Fastnachtstage und kurzen Villinger Fastnachtshistorien widmet sich der Autor dann auf zweieinhalb Seiten auch der damaligen „Katzenmusik“:
Wenn sie auch „noch nicht viel mehr als 59 Jahre alt ist, so birgt sie doch auch ein Stückchen altersgrauer Geschichte in sich“.
Fischer bezieht sich für die Existenz der Katzenmusik dabei auf die inzwischen längst umstrittene Theorie der Fasnet-Entstehung aus den einst heidnischen Saturnalien- und Ostara-Festen, bei denen man unter einer Maske und mit ohrenbetäubendem Höllenlärm den Winter auszutreiben gedachte.
Und Fischer schreibt: „Während in frühen Jahren die Katzenmusik erst bei Tagesanbruch in Aktion trat, ist es insofern anders geworden, als jetzt schon noch (1922; Anm. der Red.) bei stockdunkler Nacht Scharen von größeren Knaben und auch Erwachsenen in den Straßen unter Zuhilfenahme von allen nur möglichen Instrumenten einen Heidenlärm vollführen.“
Insgesamt eine ortsgebundene Lektüre, bei der nicht nur „der“ Villinger, sondern sämtliche Narros ins närrische Grübeln geraten, ob man nicht doch schon gerne vor 100 Jahren ins Häs geschlüpft wäre?
Denn wie reimte in insgesamt 24 Zeilen schon 1843 der Narren-und Lokaldichter Hummel:
„Hans, zieh die Narro-Rollen an,
die Narren laufen von allen Straßen und Ecken her;
schon viele saufen am Wirtshaustisch auf der Brüder Wohl!
Geschwind mir sechs Riemen Rollen hol‘!
Heute sind wir privilegierte Narren,
lass Sorgen und Grillen zum Tor nausfahren.[…]“