…spielten Schottland und England das erste Länderspiel der Fußball-Geschichte.
Wenn am zweiten Tag der Fußball-Weltmeisterschaft 2022, dem 21. November, um 14 Uhr in Al-Rayyan das Spiel der Gruppe B England – Iran angepfiffen wird, wird sich wohl niemand daran erinnern, was 150 Jahre zuvor für Leidenschaft und Nationalstolz sorgte. Denn am Samstag, den 30. November 1872 wurde in Glasgow das erste Länderspiel mit mehr oder minder einheitlichen Regeln ausgetragen. 4000 Zuschauer sahen zwischen Schottland und England ein 0:0, obwohl 14 Stürmer auf dem Platz standen.
Was sind seither nicht alles für geflügelte Worte über den Rasen und die Mikrofone gegangen. „Das Runde muss ins Eckige!“ oder „Der Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten.“ Eine der lapidaren Fußball-Weisheiten, die Sepp Herberger, der ehemalige deutschen Bundestrainer einst absonderte.
Doch noch einhundert Jahre vor dem WM-Titel für die Deutschen 1954 war vom heutigen, vom modernen Fußball nix zu spüren, denn einfache Regeln galten erst ab 1848, die englische Studenten aufgestellt hatten.
Doch noch längst nicht einheitlich, weil es weitere neun Jahre dauerte, bis der erste Fußball-Club der Welt als Verein gegründet wurde: der Sheffield Football Club, gegründet 24. Oktober 1857.
Wollten zuvor zwei Mannschaften in dieser neuen Sportart gegeneinander antreten, einigte man sich zuvor schriftlich über die Zahl der Spieler, auch mal mit 20 gegen 20, und die Spieldauer mit bis zu zwei Stunden.
Die Bälle, wenn man diese so bezeichnen konnte, waren nicht unbedingt rund, denn man kickte mit aufgepusteten Schafsblasen, großen, gestopften und möglichst runde Stoffballen oder gar mit Schweinsköpfen.
Erst auf die Gründung der englischen Football Association (FA) waren offizielle Regeln maßgebend. Eingeführt wurden 1866 Eckball, Freistoß und eine erste Abseitsregel, ähnlich der heutigen.
1870 dann die Entscheidung für elf Spieler pro Team.
1871 ist das Spiel mit der Hand nur noch dem Torhüter gestattet.
Die einheitliche Ballgröße wird 1872 festgelegt:
der Umfang muss zwischen 68 bis 70 Zentimetern liegen.
Diese Regeln brachten England den Ruhm ein, das Mutterland des modernen Fußballspiels zu sein.
Und so fand eben im selben Jahr das erste offizielle Länderspiel des Fußballs statt.
Auf dem „West of Scotland Cricket Ground“ bei Glasgow traten am 30. November 1872 die schottische und die englische Auswahl an. Die elf Schotten vom FC Queen’s Park.
Es sei ein nebliger, aber trockener Novembertag gewesen. Doch der Regen in der Nacht zuvor hatte das Spielfeld aufgeweicht. Bei einem Schilling Eintritt, dem Zwölftel eines Pfundes, war die Spannung auf den Rängen groß.
Es warteten 4000 Zuschauer, darunter zahlreiche Frauen, auf einen fairen Fight der sportlichen Rivalen.
Ohne die jetzt neuen „Association Rules“ waren beide Teams schon in den zwei Jahren zuvor gegeneinander angetreten, dreimal gewann England, zweimal blieb es beim Unentschieden. Die zuhause wollten die Schotten gewinnen.
Der Captain und Keeper Robert Gardner bietet seine Spieler auf, ohne groß wählen zu können, denn während in England schon über 100 Vereine mit einheitlichen Regeln kickten, waren es in Schottland erst rund zehn.
Deshalb nominiert Gardner alle elf Spieler aus seinem Klub, dem Queen’s Park FC. Die Spieler der englischen Elf wurden dagegen aus neun Vereinen rekrutiert.
Den pünktlichen Anstoß verhinderten mit 20 Minuten der Nebel und die Menge an Zuschauern: die Partie beginnt um 14.20 Uhr.
England ganz in Weiß, die Schotten in dunkelblauen Trikots und weißen Hosen. Obwohl die Engländer mit Captain Cuthbert Ottaway die besseren Einzelspieler in ihren Reihen hatten, waren die Schotten das eingespielte Vereins-Team und erwischten den besseren Start.
Die sechs nominierten Stürmer bringen die englische Abwehr immer wieder unter Druck, was einen ersten Treffer erwarten ließ. Doch Keeper Robert Barker bewahrt sein Team vor einem Rückstand und steht sicher zwischen zwei Pfosten und einem gespannten Tor-Band.
Nach der Pause kommen die dribbelstarken Engländer besser ins Spiel, doch auch sie vergeben beste Chancen. Und die Schotten bleiben erneut gefährlich. Als Robert Leckie schussgewaltig abzieht, flattert das Torband, die schottischen Zuschauer jubelnd bereits, doch der Ball rauscht einen Inch über das Tor.
Es bleibt bei Chancen hüben wie drüben. Doch nach 90 Minuten endet die Partie, eher enttäuschend, mit einem 0:0.
Wie damals noch üblich, verabschieden die schottischen Gastgeber das englische Team mit herzlichem Beifall.
Die Spieler beider Mannschaften treffen sich später im Carrick’s Royal Hotel zum gemeinsamen Abendessen.
In den Jahren danach werden die Regeln erweitert und deutlich genauer und die beiden Erzrivalen treffen sich regelmäßig zum Match.
Auf den Sieg der Engländer am 8. März 1873 im Heimspiel mit 4:2 folgt jedoch die große Krise. Fünfmal in Serie verliert das englische Team. Die Flaute dauert bis zum 5. April 1879: der Bann ist gebrochen.
Und 150 Jahre später ein neuer Bann: die schottischen „Bravehearts“ sind in Katar nicht dabei.