1892: Mord bei Maria Thann

Burg Kirneck – so könnte die kleine Burg ausgesehen haben…

Großherzoglicher Staatsanwalt fahndet nach dem Täter – Ruine Kirnek als Tatort –  Mysteriöse Felszeichnung

Es war im Sommer 1987, als das auswärtige Mitglied des Geschichts-und Heimatvereins Herbert S. aus Mannheim den lokalen Hobby-Historikern seines Vereins die Frage stellte, was es denn mit einer merkwürdigen Felszeichnung mit Kopf und Kreuz mit gleichen Seitenlängen auf sich habe, die er an der Landstraße nach Unterkirnach, gleich unterhalb der Ruine Kirneck entdeckt habe? Ob es denn stimme, dass hier einst ein Mord geschehen sei?

 

Für die Antwort kam im Jahresheft 89/90 nur einer in Frage: Hermann Preiser (1908-2001), einer der begabtesten und mit reichem Wissen ausgestattete  Lokal-Historiker in jener Zeit; Mitglied und später Ehrenmitglied des GHV.

Der frühere Fabrikant für Essenzen und Schnäpse Hermann Preiser konnte nicht nur antworten, dass es stimme, er schilderte mit beredtem Wort auch die Hintergründe samt Abbildung des Fahndungsaufrufs im Villinger Volksblatt; inseriert vom Konstanzer Staatsanwalt zu jenem finsteren Ereignis aus dem Jahre 1892, als am 24. Oktober eine junge Frau Opfer eines Gewaltverbrechens wurde.

In den Tagen nach der Tat hatten Passanten bei der  Ruine Kirneck einen Schirm und ein Körbchen gefunden, als man am 1. November in der Kirnach dann auch den Leichnam einer junge Frau entdeckte, bei der es sich nach polizeilichen Ermittlungen um die ledige 24 Jahre alte Bertha Kaltenbach aus Vöhrenbach handelte.

Im Einzelnen hatte sich wohl folgendes zugetragen: Bertha Kaltenbach hatte sich am 24. Oktober 1892 zu Fuß nach Villingen aufgemacht, um den Mann aufzusuchen, der der Vater ihres Kindes war, das sie wenige Monate zuvor ledig bekommen hatte.

Ihr Ansinnen, von ihm für ihr Kind unterstützt zu werden , hatte er wohl energisch abgelehnt, worauf sie zum Bahnhof Villingen eilte, wo Verwandte erwartet waren, um mit ihr  nach Vöhrenbach zurückzukehren.

Während die junge Frau vergeblich wartete, wurde sie wohl  von einem jungen Mann angesprochen, der sich anbot, sie zu begleiten.

Wohl war ihr dabei nicht, weshalb sie nur wenige 100 Meter weiter zur Gaststätte „Deutscher Hof“, später „Zähringerhof“, lief, wo sie früher beschäftigt war. Mit ihrer Frage an den ihr bekannten Portier, ob sich denn Leute aus Vöhrenbach in der Wirtsstube aufhielten, verwies sie dabei wohl auch auf den Mann, der ihr vom Bahnhof gefolgt war.

Trotz ihrer starken Zweifel blieb sie in Begleitung des jungen Mannes, der sie später zu Tode brachte.

Die Ruine der ehemaligen Burg Kirneck liegt oberhalb einer kleinen Talschlucht auf einem Sporn. Von der Burg aus dem 12. Jahrhundert haben sich nur wenige Elemente der Ringmauer und der Schildmauer erhalten. Von der Anlage haben sich eine Mauer und der stark verlandete Halsgraben erhalten. Die weitläufige Mauer war Teil der Schildmauer. Das heute erhaltene Stück ist über 7 m hoch und 18 m lang.  Erbaut wurde die kleine Burg wohl im 12. Jahrhundert.

Der Burgadel ist seit 1185 bekannt. Im 19. Jahrhundert wurde die Ruine zum größten Teil abgebaut, wahrscheinlich zum Bau des Klosters. Bis zu diesem Zeitpunkt soll ein Bergfried vorhanden gewesen sein. Die Steine der Burg wurden zudem zur Ausbesserung der Stadtbefestigung Villingens verwendet. Um 1900 brach man weitere Reste zum Bau der Straße nach Unterkirnach ab. (wob.)

Fahndungsanzeige aus dem Villinger Volksblatt 1882: ein großer, sehr großer und kräftiger Man wird gesucht; mit Schnurrbärtchen, Schlapphut, abgetragener Kleidung und frech verwegenem Aussehen.

Mit Fahndungsanzeige vom 8. November 18982 hatte man nach ihm gefahndet, was schließlich in Donaueschingen zu dessen Festnahme führte.

Der Verdächtige Bartholomäus Ratzer aus Reiselfingen gab schließlich in der Vernehmung an, dass er der jungen Frau Kaltenbacher unsittlich näher kommen wollte, was sie sich verbat und sie ihm gedroht habe, ihn anzuzeigen.

Darauf, so Ratzer, sei er dermaßen zornig geworden, dass er die junge Frau auch auf den Kopf schlug und sie dabei Böschung hinuntergefallen sei.

In seiner Rage griff er auch nach faustgroßen Steine und warf nach der gestürzt Liegenden. Aggressiv erregt trat er auch nach ihr, traf dabei das Opfer auch am Kopf.

Sie wehrte sich vergeblich,  hatte er sie doch mit einem Tuch an Mund und Nase geknebelt, um ihre Schreie zu verhindern.

Ratzer gestand beim Verhör, dass er die leblose Frau in das Wasser der  Kirnach schleppte, wo sie versucht habe, noch einmal aufzustehen, dabei aber in den Bach taumelte. Als sie schließlich reglos in der Kirnach lag, habe er einen großen Stein auf ihren Körper gewälzt.

Die später gerichtlich angeordnete Obduktion ergab, dass das Opfer noch lebend ins Wasser gefallen war.

Bartholomäus Ratzer war inzwischen als vorbestraft ermittelt, hatte er doch kurz vor der Tat eine zweijährige Freiheitsstrafe in Freiburg verbüßt. Seine Vergehen: auf dem Hochfirst hatte er eine Frau überfallen und beraubt und zuvor auch seinen Lehrherrn, einen Bäckermeister, bestohlen.

Im Gerichtsverfahren war zu klären, ob es sich um ein Sittlichkeitsverbrechen oder um einen Raubmord gehandelt hat. Hatte man doch am Tatort auch den auch den leeren Geldbeutel der Bertha Kaltenbach gefunden.

Ratzers Tat wurde vom Schwurgericht in Konstanz mit der Todesstrafe geahndet, doch begnadigte man ihn zur lebenslänglichen Zuchthausstrafe, so die weiter Schilderung Preisers 99 Jahre später.

Bei seinen weiteren Recherchen um 1988 hatte Preiser wohl aus Vöhrenbach erfahren, dass Ratzer im Knast versucht hatte, aus dem Zuchthaus in Bruchsal auszubrechen. Er habe dabei einen Wärter getötet und sei beim Fluchtversuch erschossen worden.

Ein wenig ‚mystisch‘ wie alle Ruinen: die Kirneck im Kirnachtal; Ausschnitt einer Bildpostkarte.

 

Der Urheber der vor langer Zeit gemeißelten „mystischen“ Felszeichnung, wenige Meter seitlich der L 173, blieb unbekannt.

Die Stelle war stark überwachsen, als Herbert S. sie entdeckte. Per Zufall müsste man sie auch heute noch einmal entdecken, da  Preiser sie nach eigener Schilderung 1988/89 freigelegt und mit weißer Farbe ausgemalt habe…

 

Bilder/Repro:

Bräun; GHV 1989/90, Familienarchiv Hermann Preiser

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