Erste Erinnerungen in 1987
Man sah 1987 ausreichend Grund zu feiern, als man daran erinnerte, dass 50 Jahre zuvor Villingen zum Kneippkurort erhoben wurde.
Ein Anlass für das Verkehrsamt, die Kur- und Bad GmbH und den Kneippverein Villingen in der Volksbank Villingen ab Ende September für drei Wochen Foto-Reproduktionen auszustellen, die zeigten, „welch blühender Kneippkurort Villingen einst war“.
Die Besonderheit Villingens als frequentierter Kurort begann bereits um 1900, auch wenn sich zu einem noch früheren Kurbetrieb im Mittelalter und zu einer Heilquelle aus dem Hubenloch mit Anwendungen als „Bad“ im Riet ein historischer Rückblick in diffuser Vergangenheit liegt.
Eine erste Blütezeit Villingens als Kurort dauerte bis 1914, als der erste Weltkrieg die politische Welt bewegte. Wie auch in anderen Orten des Schwarzwaldes wurde damals mit dem Erholungswert der waldreichen Umgebung und der gesunden Luft geworben.
Dem Kurgast standen innerhalb und außerhalb der Stadt Hotels und Gasthäuser verschiedener Kategorien zur Auswahl, eben auch mit zwei Kurhotels erster Klasse, dem Waldhotel am Germanswald und dem Burghotel Kirnach.
Beide boten den Komfort der Zeit für höchste Ansprüche, wie es vornehme Gäste schätzten und erwarteten.
Nicht überraschend, dass auch der Großherzog von Baden mehrere Male für mehrere Tage mit Familie und Entourage im Waldhotel übernachtet.
Um viele weitere Gäste bemühte sich das Bad-Hotel „Zum Zähringer Hof“ mit elektrischen Loh-Tannin-Bädern, mit Heilbädern gegen Gicht, Rheumatismus und Ischias, mit Solbädern sowie mit allen anderen ärztlich verordneten medizinischen Bädern.
Beim Hotel „Waldmühle“ war der Weg kurz zum neuen Kneipp-Bad und zum Tierpark an der Bahnlinie. Bereits damals nahm die Stadtverwaltung Anregungen aus der Bürgerschaft auf, um Villingen zur Kurstadt zu gestalten.
Die Stadt sollte im Stil der Zeit mit einem auffälligen Ambiente den Kurgasts erfreuen. Nahe dem Bahnhof am Paradiessteg legte man einen Schwanenteich mit Wasser-Fontäne und ein Natur-Idyll aus einer künstlichen Felsgrotte an, auf der ein lebensgroßer Hirsch aus Keramik ruhte.
In den Ringanlagen wechselten Blumenrabatten und Springbrunnen, beim Oberen Tor präsentierte man einen hölzernen Pavillon mit künstlichen Störchen auf dessen Dach, beim Riettor setzte man das Schillerdenkmal und beim Platz an der Tonhalle 1906/1907 das Denkmal für Berthold III. von Zähringen.
In die vier Hauptstraßen setzte man Baumreihen, die im Frühjahr prächtig blühten. Als Stadtgarten diente das parkähnlich gestaltete Gelände der Industrie- und Gewerbe-Ausstellung von 1907 auf der ehemaligen Amtmann-Wiese an der Mönchweiler Straße.
Auch bei der Stadtplanung hatte man immer das Wohl des Kurgastes im Auge. So wurden die Waldstraße, die Friedrichsstraße und die Schillerstraße bewusst als Verbindungen zwischen den Ringanlagen und dem Stadtwald angelegt, mit auffällig neuen Häusern und neuen Bäumen in deren Verlauf am Sägebach und rüber bis zum Eisweiher.
Man wollte auf diese Weise dem Kurgast, der im Stadtkern wohnte, den Weg in den Stadtwald möglichst angenehm gestalten. Den Stadtwald erschloss man durch zahlreiche Spazierwege und pflegte ihn auch nach ästhetischen Gesichtspunkten.
Für Unterhaltung der Kurgäste war gesorgt: wer keine Ausflüge in die Umgebung machen wollte, konnte im Sommer den Aussichtsturm besteigen, auf der Sommer-Rodelbahn fahren, Tennis oder Golf (??) spielen, auf die Jagd gehen oder Boot fahren, und im Winter konnte man Skifahren, an Schlittenpartien mit 20 bis 30 Schlitten teilnehmen, auf dem „Schiffleweiher“ an der Waldstraße Eisfeste mit Musik und Feuerwerk erleben oder sich bei der Villinger Fasnacht verlustieren.
Bereits 1906/1907 richtete man auf dem Rathaus ein städtisches Büro für den Fremdenverkehr ein. Und seit Hermann Oberle die Versammlung zur Gründung des „Waldhotels“ mit den Worten
„die Tore auf für Fremdes Geld“ abgeschlossen hatte, war kaum ein Jahrzehnt vergangen, bis Villingen zu den bedeutendsten Kurorten im badischen Schwarzwald zählte.
In jenen Zeiten wurde 1894 der Villinger Kneippverein gegründet, der als kleiner Verein erstaunliche Aktivitäten entwickelte. So holte er 1895 Pfarrer Kneipp zu einem Vortrag nach Villingen, und wenige Jahre später war der Plan entwickelt, die Feldner Mühle zu einem Kneipp-Kurhaus mit Flussbad und Kneipp-Anlagen umzubauen.
Doch dazu kam es nicht, denn Bedeutung für die Stadt erlangte der Kneippverein erst 30 Jahre später.
Es sei mir noch einen Nachtrag erlaubt.
Bei meiner Aufzählung der bleibenden Vorteile
der ehemaligen Kurstadt Villingen,
habe ich das Kneippbad vergessen.
Obwohl es dort mittlerweile keine Wassertretstelle nach Pfarrer Kneipp mehr gibt,
erfreut das Bad die Bürger, auch aus Schwenningen..
Apropos Tiergarten :
Eingeengt zwischen Rindenmühle und Bahnlinien konnte man in den Käfigen einen Bären,
einen Wolf und Greifvögel sehen.
Nach heutigem Maßstab völlig unhaltbar.
Deshalb ist der Tiergarten auch bald verschwunden.
Wie immer höchst interessant und gut zu lesen.
Auch der heutige Artikel im Schwabo über die Hitmacher aus villingen…
PS lieber Rainer Kurz, melde dich doch mal bei mir,
meine Telefonnummer hab ich dir ja geschickt,
notfalls bekommst du die auch von wob.
Volker
Der Autor dankt!
Nochmals ein interessanter Beitrag über Villingen als Kurstadt.
Der Ruf von Villingen als Kneipp-und Luftkurort reichte nicht
nur bis Karlsruhe zum Großherzog.
Auch aus dem Rheinland kamen Fabrikanten und Unternehmer,
also betuchte Leute, via Schwarzwaldbahn nach Villingen und
ließen sich verwöhnen abseits der schlechten Luft im Ruhrgebiet.
Manche von ihnen bauten sich Sommerresidenzen, so in der Germanstraße am Germanswald.
Viele der Häuser existieren nicht mehr. Sie wurden abgerissen oder umgebaut.
Die letzten Anstrengungen, Villingen als Kurstadt zu erhalten,
war die Errichtung des Sanatoriums am Germanswald von Dr. Meixner.
Aber auch hier ging es bergab.
Was blieb, sind der Kurgarten und gute Spazier-und Wanderwege.
Eigentlich doch letztlich eine gute Bilanz, wovon die Bürger heute noch profitieren können.