80 Jahre Theater am Ring II

Rückblick mit Lücken? Wer war Kurt Knittel? – Mangel im Archiv zur Villinger Bühne nach 1945?

Zwölf Jahre NS-Zeit bewegen bis heute die Historiker, die Mahner und die Erinnerer, sei es mit dem Projekt Stolperstein, mit Vorträgen, Erinnerungs-Fakten und -Daten oder mit der eigenen Stadtgeschichte.

So hat auch der Post über den Jahrtag der Eröffnung das Theater am Ring am 19. Oktober 1940 neue Spuren gelegt.

Ein gebürtiger Villinger Leser (Name und An schrift der Red. bekannt ;-)) erinnerte sich dabei an einen Artikel aus 2007 in der ZEIT,  den er jetzt noch einmal im Internet suchte und auch wieder entdeckt hat: Ernst Klee, Heitere Stunden in Auschwitz, Die Zeit, Nr. 5, 2007.

Darin werde ein Kurt Adolf Karl Knittel beschrieben, der als ehemaliger SS-Offizier als Dramaturg 1948 „an einer Wanderbühne in Villingen“ eine Anstellung gefunden habe.

Ohne konkretere Nachforschungen und ohne sein Interesse zu intensivieren habe unser Leser dazu jüngst auch bei alten Villingern nachgefragt, aber nichts Eindeutiges erfahren oder finden können. Wem aber ist der Name Knittel im Zusammenhang mit dem einstigen Villinger Stadttheater in Erinnerung?

Interessant sei dazu ein Wikipedia-Beitrag über Kurt Knittel, Jahrgang 1910, wobei es zunächst als unwesentlich gelte, ob er denn und wie lange er auch in Villingen gewesen sei, weil er einen der nicht seltenen Lebenswege  eines Menschen der NS-Generation darstelle.

In späteren Ausgaben des Lexikons von Ernst Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich, S. Fischer, Frankfurt am Main, 2003, sei Knittels Villinger Episode jedoch nicht mehr enthalten. Ist sie folglich weniger wichtig? Gar unbedeutend.

So wandte sich unser Autor an den pensionierten Oberstudienrat Wolfgang Heitner, ehemals ambitionierter Villinger Geschichtslehrer am Romäus-Gymnasium, mit großem Interesse an der NS-Zeit in Villingen.

Auch ihm wurde auch über Wikipedia bekannt, dass Knittel einen – wie viele  ehemalige Nazis – sehr erstaunlichen Lebenslauf habe: Parteigenosse und Angehöriger der SS seit 1933, eingesetzt seit 1939 im KZ Sachsenhausen und ab September 1942 im KZ Auschwitz. Dort veranstaltete Knittel ideologische Schulungsabende und  organisierte Kultur-Veranstaltungen, mit denen er „das Wachpersonal bespaßt habe“ und man ihn dort deshalb als „Truppen-Jesus“ benannt habe.

Knittel, der seine Ehefrau nach Auschwitz habe nachkommen lassen und der nach dem Hitler-Attentat 1944 zum Thema „Das Reich in Gefahr“ referierte, blieb bis Kriegsende NS-treu.

Nach 1945 sei ihm vom Hausarzt dann auch ein „Persilschein“ ausgestellt worden. Begründung: bei seiner Veranlagung könne er gar kein Nazi gewesen sein und übrigens habe er einen jüdischen Schulfreund gehabt.

Und so kam wohl eben auch zum kurzen kulturellen Intermezzo 1948 als Dramaturg in Villingen. Knittel, der später im Lehramt für die Mittelschule untergekommen sei, stieg auf zum Referenten für Volks-Mittel- und Sonderschulen und wurde 1959 zum Regierungsrat.

Zu seinen Ehrenämtern habe auch ein Sitz im Rundfunkbeirat des Schulfunks beim SDR gehört und ein Posten als  Verwaltungsrat der Badener Hochschule für Musik. Knittel starb 1998 mit 88 Jahren.

Heitner fragt sich: Sind bei der heute gut aufgearbeiteten NS-Geschichte solche „Karrieren“ zu verstehen?

Heitner geht auch davon aus, dass die Nachrufe auf Knittel, auch von seiner Dienstbehörde, frei waren von jeglicher NS-Belastung.

Rolf Jahncke, 1923 – 2010,  Schauspieler, Regisseur und Autor,  nahm 1946 sein erstes Engagement am Stadttheater Villingen an.

Wie ja auch seine kurze Zeit zur Historie des Theaters am Ring und am Villinger Stadttheater in den 50ern in der Theaterzeitung 2020 kein Wort wert war.

So bleiben wahrscheinlich zu Knittel nur dessen drei besondere Personalakten im Generallandesarchiv in Karlsruhe: Knittel, Kurt; SS-Ober-Scharführer, Regierungsschulrat, Oberbibliothekar, Lehrer.

 

Aber auch ein Rolf Jahncke, geboren 1923 in Hamburg, † 2010, wird in der  Theaterzeitung nicht erwähnt. Und dies, obwohl er, der Schauspieler, Regisseur und Autor,  nach seinem Abitur 1941 und  als Leutnant der Luftwaffe nach dem Krieg Schauspielunterricht  nahm und er 1946 sein erstes Engagement am Stadttheater Villingen erhielt.

 

 

 

 

 

 

 

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