Amtshof, Finanz- und Meldeamt

Als Kloster-Amtsleute das Sagen hatten – Früher auch Fundbüro – Verkauf steht bevor – Verkehrswert 850 000 Euro

Albert Säger (1866- 1924) malte den Amtmann-Hof in der Josefsgasse im Jahre 1907 und vermerkt mit seinem Signum sogar, dass einst von hier aus auch Steuern eingetrieben wurden.

Die Decken zu niedrig, die Böden knarren, die Elektrik uralt, die Fenster zugig und alles in allem feuerpolizeilich fast schon ein Albtraum. So stellt sich der Leser das frühere Amt für öffentliche Ordnung in der Josefsgasse vor, in dem er zwar schon jahrelang nicht mehr war, dessen Amtsstuben  aber längst geräumt wurden, weil die räumlichen Zustände bei ständigem Zuwachs an Aufgaben nicht mehr haltbar waren. Und so zogen die Mitarbeiter längst, wenn auch ungern, für fünf Jahre Mietzeit auf die Wanne

Nicht mehr zu ändern ist indes die Historie des alten Gemäuers,  in dem vor Jahrzehnten fürs Meldewesen, für Ausweise und Pässe und für ein Sammelsurium im Fundbüro für viele Jahre ein ‚Fräulein Bonath‘ ein energisches und strenges Regiment führte und irgendwann auch der erste Stadtsheriff Tröndle seine Amtsstube hatte.

 

Wuchtige Gewölbe. Das mächtige Giebelhaus  mit seinen wuchtigen Gewölben im Untergeschoss und mit seinen meterdicken Mauern hat  nun wahrlich eine Jahrhunderte  alte Geschichte.

Während 150 Jahren diente es als Amtshof des Klosters St. Blasien, von wo aus stets nachfolgende Kloster-Amtmänner die lokalen Interessen und die klösterlichen Liegenschaften des Ordens verwalteten.

Die „Amtmannwiese“ 1907 vor dem Oberen Tor, als dort die Industrie- und Gewerbe-Ausstellung stattfand.

Hierzu gehörte auch eine sogenannte Amtmann-Wiese vor dem Oberen Tor, deren Namen jedoch nahezu unterging, weil sie später zum Villinger Stadtgarten wurde. Ein Schmuckstück für die Stadt bis 1968, als man den Stadtgarten den Interessen eines Industriebetriebs „opferte“, der wohl auch damit gedroht hatte, ansonsten nach Mönchweiler umzusiedeln. Dieses Opfer galt lange Zeit als schlimmer Fehler der Stadtväter, wie heute noch viele Villinger meinen.

Springender Hirsch. Wer früher das Wappen am Amtshof – den springenden Hirsch – als solches des Klosters erkannte, der wusste lange Zeit auch, wessen „Amtmann-Wiese“ gemeint war, die durch größere Volksfeste öfters auch bierselig zertrampelt wurde.

Klosterwappen auf dem Erker Josefsgasse, wo einst das Meldeamt und das Fundbüro waren und der erste Stadtsheriff seinen Schreibtisch hatte.

Die markante Wappenzeile an dem breiten Erker auf fünf Konsolen der nördlichen Fassade ist bestimmt noch heute das Gesicht des früheren Amtshauses.

Zu Verwaltungssitzen dieser Art kam es schon im ausgehenden Mittelalter, als die Klöster in der Stadt jeweils ihre „Prälatur“ einrichteten. So auch die des Benediktiner-Klosters, dem Abt-Gayser-Haus, das millionenschwer für dienstliche und weltliche Zwecke saniert wurde.

Ritter Johann. In jene Zeit der Prälaten gehört die Vorgeschichte des sankt-blasianischen Amtshofes: aus dem Rechtsstreit um dessen Eigentum zwischen einem Ritter Johann von Frauenfeld und dem Bischof Heinrich von Konstanz im Jahre 1359 kam dann auch das Kloster St. Blasien ins Spiel.

 

Im nordwestlichen Stadtviertel, dem früheren „oberen Ort“, hatten einst auch die jüdischen Bürger ihre Häuser und Höfe, weshalb man das Quartier auch ‚Judenviertel‘ nannte.

Eben dort sei es zum Erb-Nachlass der Jüdin Jeuta gekommen, was zum benannten Streit führte, in dessen Folge des Bischofs Günstling Graf Friedrich von Zollern zwar weiteren Rechtsstreit vermeiden wollte, doch Ritter Johann nur den Verkauf im Sinn hatte, worauf über den Probst Ulrich von Lingenau im Aargau das Amtshaus an St. Blasien fiel.

Die Jesuiten in St. Blasien kauften in der Folge auch die angrenzenden Häuser, ließ diese abreißen, um ab 1663 das Hauptgebäude für einen Amtshof zu errichten, wie er sich bis heute präsentiert, auch wenn er nicht mehr als repräsentativ gilt.

Badische Steuerhoheit. Mit der Aufhebung der Klöster fiel das Haus 1806 an den Staat Baden, dessen Regierung sich gut vorstellen konnte, hier das Großherzoglich Badische Finanzamt einzurichten, was auch geschah. Dessen Steuerhoheit dauerte bis 1907, als ein neues Finanzamt am Niederen Tor (Commerzbank) genutzt wurde. Dieses alte oder auch ur-alte Villinger Finanzamt wurde später  zu Schul- und Internatszwecken und als Lehrer-Vorseminar genutzt. Nach 1930 wurde es gar zu einem Heim für das nahe Aufbau-Pro-Realgymnasium. Und auch das Arbeitsamt hatte hier mal ein Ausweich-Quartier bezogen, bis schließlich 1956 das Einwohnermeldeamt eingerichtet wurde.

 

 

1 Gedanke zu „Amtshof, Finanz- und Meldeamt“

  1. Man ist immer wieder überascht,
    wie der Autor die VLer Geschichten lesenswert schreibt.
    Es sind ja wohl schon über 80…
    Hätten die nicht schon ein gebundenes Büchlein verdient…?

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