Einst ein Start mit Kritik bürgerlicher Eigentümer aus der „besseren Klasse“
Es waren die beiden Pfarrer der katholischen und der evangelischen Gemeinden Josef Lang und Adolf Barner, die einst mit zwölf idealistischen und zielstrebigen Männern aller Parteien und aus allen Schichten am 15. März 1902 im Gasthaus „Lilie“ die Baugenossenschaft Villingen eG, gründeten, die kurz darauf 96 Mitglieder als Genossen zählte. Das alles zu einer Zeit, als eine problematische, ja drastische Wohnungsnot in der aufstrebenden Stadt Villingen herrschte, für die dringend neuer und preisgünstiger Wohnraum erforderlich war.
Die prosperierende und technisch reifere Industrialisierung in der Uhrenindustrie, der Bau der Schwarzwaldbahn und die bislang allzu oft miserablen Wohnungen der Arbeiterschaft innerhalb der Ringmauern, machten den Bedarf an neuem Wohnraum überaus dringlich.
Denn ein Mehr an städtischer Bevölkerung hatte auch vor 1900 nicht von allein dafür gesorgt, dass mehr Wohnraum entstand. So blieb eine befriedigende Lösung bereits vor 140 Jahren aus, weil in Villingen aus bäuerlichen Wirtschaftsräumen allzu oft nur spärlicher Wohnraum geschaffen wurde, dort, wo zuvor Stalltiere gehalten wurden.
Eine Tatsache, weshalb sich bereits 1893 sieben Arbeiter und ihr Sprecher , der Uhrmacher Mathias Kammerer, an das Badische Bezirksamt wandten, weil sie kleine Häuschen, mit kleiner Stallung und ein wenig Garten bauen wollten, wofür sie Kredite der Versicherungsanstalt wünschten.
Es folgten zwar die ersten solcher Häuschen in der unteren Bleichestraße und am Kalkofen, doch hatte die damalige Stadtverwaltung wohl eher ein größeres Interesse an den Plänen vermögender Bauherren für deren neue Villen an der Luisenstraße.
So waren es der Kaplanei-Verweser Josef Lang, Präses des Katholischen Arbeitervereins, der Gewerkschafter Aker und der evangelische Pfarrer Adolf Barner, die sich zunächst nachhaltig und schriftlich engagierten.
Deren Eingabe an die Stadtverwaltung setzte der Gemeinderat und Landtagsabgeordneter Benjamin Grüninger um. Seine Forderung:
Dem strebsamen, soliden Familienvater, der wohl ein wenig sparen könne, müsse geholfen werden, weshalb er eine „Arbeiterwohnungs-Genossenschaft“ vorschlug, durch die über ein Mietkauf-System Arbeiterhäuser entstehen sollten, um auch die Hygiene und die Sittlichkeit zu verbessern.
Doch der Gemeinderat zögerte, bis das Bezirksamt eine polizeiliche Untersuchung von 66 Wohnungen anordnete. Von diesen waren die meisten zu klein, feucht, ohne Speicher und Keller, mit üblen Aborten, schlechten Öfen und finsteren Küchen und wenigstens 20 waren zu teuer. Einzelne Mieter zögerten aus Angst vor Kündigung, die Tatsachen in den Fragebögen zu erklären.
Die Ortsverwaltung mit Heinrich Osiander als Bürgermeister zögerte weiter trotz dieser Fakten, bis im März 1902 gleich 90 Personen aller sozialen Schichten und aus beiden Pfarreien Genossenschaftsanteile zeichneten. Die Gesellschaft war damit die siebte dieser Art im Großherzogtum Baden und ist die älteste in Villingen.
Auf einen ersten Spatenstich 1902 an der Mönchweilerstraße konnten die Mieter bereits 1903 einziehen. Doch noch immer blieben einige Gemeinderäte kritisch, denn sie sahen in der Genossenschaft den Wohnungsmarkt in Gefahr, weil bisherige Alt-Eigentümer durch günstigere Mieten wohl finanziell geschädigt würden.
Sahen sie doch in den städtischen Plänen ein einseitiges Vorgehen zugunsten der neuen Mieter.
Denn bei damals 2809 Vilinger Haushalten gehörten 81 von jeweils 100 Häusern den alt-eingesessenen Selbständigen und den Handwerkern.
Bis 1914 verfügte die Genossenschaft dann aber bald über 53 Wohnungen, bis mit dem Status der „Gemeinnützigkeit“ 1932 bis 1939 das Eisenbahnerviertel die weitere Südstadt und die „Weststadt“ rund um den Goetheplatz erschlossen wurden.
Nach 1949 folgten die Goethe- und Lessingstraße (heute Pontarlier-Straße), der Bickeberg, die Rietheimer- und die Fasanenstraße.
Heute markiert und veröffentlicht die Baugenossenschaft mit Sitz in der Langstraße 1.183Mitglieder, 816 Wohnungen, 473 Garagen, eine Bilanzsumme von 51 Mio. und ein Eigenkapital von 14 Mio. €.