Bierbrauer, Wirte, Schankrecht und der „Bruder Durscht“  (I)     

500 Jahre Reinheitsgebot – 500 Jahre Bier in Villingen

Eines der schönsten Stechschilder der Stadt: das der „Krone“ in der Kronengasse. Die Weinstube „zur Krone“ lag wohl um 1568 in der unteren Rosengasse, die einst noch Hohler Graben genannt wurde.

Seit im Jahre 1516 der bayrische Herzog Wilhelm IV. das Reinheitsgebot für Bier erließ, gilt dieser Erlass inzwischen auch als historisch und zugleich als ältstes unverändert gültiges Verbraucher-Schutzrecht der Welt. Und mit dem Bier, dem Schankrecht und den Bierbraueren geht auch die lokale Villinger Geschichte einher, wenn aktuell in 2016 an das Reinheitsgebot erinnert wird. Denn auch in Villingen reichen die Daten und Namen bis ins 16. Jahrhundert zurück, wenn in Villingen für jene Zeit mit wechselvoller Geschichte bereits die Wirtshäuser „zur Blume“ (1504) „zur vollen Flasche“ (1521)  „zum Hirschen“ (1533), „zum Bad“ (1544) und auch zum „Wilde Mann“ (1563) erstmals erwähnt wurden.

Wenn heute die beiden Buchstaben VS eindeutig und zweifelos für die Städte-Fusion von 1972 stehen, wenn auch nicht immer für Harmonie und Sympathie, dann dürfen beim halben Jahrtausend eines „Reinheitsgebotes für Bier“ die historischen Inititialen „V. S.“  nicht vergessen werden. Sie stehen für den Brauer und Wirt Vinzenz Sättele, die mit zwei Wappentafeln heute noch an der Gäststätte „Ott“ zu entdecken sind: ein Hinweis auf den Wiederaufbau des Gebäudes, das 1848 nach einem Brand wieder erstellt wurde.

Die Initialen V. S. stehen seit 1848 für den ehemaligen Villinger Bierbrauer Vinzenz Sättele, der einst in der Färberstraße, dem späteren Ott“,  sein Bier nach dem Lokalhelden Romäus benannte.

Zunft der Bierbrauer. Sätteles Name ist der eines orstbekannten Bierbrauers, der vor 175 Jahren als Handwerker und Zunftmeister nicht gerade als Leitbild eines bieder-braven Bürgers steht. Von ihm ist in den Jahren nach 1840 gleich mehrfach die Rede, wenn um Villinger Wirstleute, um die Kunst des Bierbrauens und um die „Stuben“geht, wie früher die Wirtshäuser genannt wurden. Jene Gaststätten, an deren Stammtischen noch Politik gemacht wurde, in denen es patriotische Räusche und gelegentlich auch blutige Nasen gab.
Eines dieser Lokale war das Haus des Vinzenz Sättele mit der Nummer 36 in der Färberstraße. Dort hatte er sich niedergelassen, um zu brauen und zu wirten.

Zum Hohenstein. Wann Sättele das Bürgerrecht für Villingen erhielt, lässt sich nicht mehr feststellen, wohl aber war er bereits gut etabliert, als er sich von 1840 bis 1848 auch mit der Ausflugs- und Sommer-Wirtschaft „Zum Hohenstein“ einen Namen machte. Als er 1852 den „Hohenstein“ verkaufte, geriet er wohl auch in eine behördliche Auseinandersetzung mit dem Großherzoglichen Bezirksamt (ehemals Landratsamt und heute Seniorenresidenz), worauf ihm die Konzession zum Bierbrauen entzogen wurde und er in der Folge in „Gant“ geriet, was dem ehemaligen Konkurs oder eben der heutigen Insolvenz entspricht.

Ab nach Amerika. Der Zunftmeister und Bierbrauer Sättele sah wohl keine Chance, dem Anspruch der Obrigkeit im badischen Staat gerecht zu werden, warf er den lokalen badischen Beamten für sein „amtliches Begehr“ tatsächlich „behördliche Aufsässigkeit“ vor. Sättele wird zwar noch einige Zeit mit der veränderten Villinger Hausnummer 327 im Bürgerbuch geführt, doch verkaufte er sein Anwesen zwischen 1864 und 1866 an seinen Berufskollegen Franz Ott und wanderte daraufhin mit seinem Sohn Ernst nach Amerika aus.

Franz Ott und sein Sohn Wilhelm werden in der Folge zu angesehenen Brauern und Wirtsleuten in Villingen, was während des gesellschaftlichen Niedergangs der einzelnen Villinger Handwerkerzünfte und wegen der staatlichen Gewalt, ausgeübt durch großherzogliche Beamte vor Ort, bisweilen auch schwer war, auch wenn das „Ott“ über viele Jahre auch Zunftstube der Gerber war und blieb.

Ein Kleinod der Brau- und auch der Schnitzkunst: Fries über dem Eingang der ehemaligen Gaststätte ‚Gambrinus‘ in der Oberen Straße.

Sieben Brauereien. In jenen Jahren schöpfte man gleich in sieben Villinger Brauereien den Gerstensaft, so auch in der Gesellschaftsbrauerei im ehemaligen Kapuzinerkloster und im Bürgerlichen Bräuhaus an der Niederen Straße (später „Meyerhof“). Die Ott’s erhielten  1900 auch die Konzession für die „Drehscheibe“, die sie allerdings an Karl Zapf verpachteten.
Es war 1907, als Ott erstmals von seiner „Romäusbrauerei“ schreiben lässt, wozu er wohl inspiriert wurde, nachdem das Bildnis des Villinger Lokalhelden überlebensgroß an die Nordseite des Michaelsturmes  gemalt worden war. Ein Turm, der bis heute als eines der markanten Wahrzeichen der Stadt gilt.

de Storze Ernscht. Mit Inserat zeitlich gesichert ist der Übergang des „Ott“ im Jahre 1950 an den neuen Pächter, den Küchenchef Hermann Steger . Die von ihm angepriesene gepflegte deutsche Gastlichkeit konnte er jedoch nur für zwei Jahre bewiesen, dann folgte Ernst Storz. Er begann am 3. Oktober 1952 mit seinem Beruf als VillingerWirt und blieb diesem Entschluss auf den Tag genau 20 Jahre treu.

Nach der Ära Storz hatten die folgenden Wirtsleute zunächst weniger Fortune mit ihrer Rolle: die Pächter Maurer-Roth konnten an die guten Zeiten im „Ott“ nicht anknüpfen. Und auch die Wiederaufnahme des Brauens von Romäusbier im „Ott“ durch einen gelernten Brauer namens Frey endete schon nach wenigen Monaten.

Doch längst läuft das Bier wieder und die Küche hat gut zu tun, denn der Ott’sche Färberwirt Domenico Wittkopf hat sich schon vor Jahren schwer ins Zeug gelegt, an die hohe Frequenz und die Akzeptanz  des früheren „Ott“ anzuknüpfen (wird fortgesetzt).

 

 

 

 

 

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