Bierbrauer, Wirte, Schankrecht und der „Bruder Durscht“  (II)  

500 Jahre Bier in Villingen und der „Bruder Durscht“  (II)          

„Durst ist schlimmer als Heimweh“, weiß der Volksmund und auch Viktor von Scheffel reimte, „man spricht vom vielen Trinken stets, doch nicht vom vielen Durste“. Ob für Villingen um 1880 galt, was Bismarck einst im Reichstag von sich gab, dass „mit wenig so viel Zeit totgeschlagen wird wie mit Biertrinken“, ist fürs alte Villingen dann sozial-historisch doch vorstellbar.
Denn Wirtsleut‘, Gaststätten und Weinstuben gab’s nämlich gar viele im alten Villingen.
Bei welchem Wirt es aber die meisten patriotischen Räusche oder auch blutige Nasen
wegen der Stammtischpolitik gab, lässt sich jedoch nicht mehr klären.

Heute noch bei vielen in guter Erinnerung: der Meyerhof, ehemals Bürgerliches Bräuhaus. Großformatige, verrauchte Ölbilder wurden von Buben noch in en 50ern mit feuchtem Brot vom Nikotin gereinigt.

Im 19.Jahrhundert war jedenfalls die „Gastro-Szene“ ganz schön bewegt, nicht zuletzt auch fahrender Kaufleute wegen. Die nämlich richteten sich – zum Ärger des ortsansässigen Handels – für wenige Tage mit einem ‚Verkaufslager‘ in den Wirtschaften oder deren Nebenzimmern ein, um hier den Reibach zu machen.

Die Bedeutung der Bierbrauer und der Wirte in Villingen macht seit altersher die Besetzung in den Zünften und auch die Leistung des Handwerks deutlich. Im Jahre 1691 nennt eine „neue Wirteordnung“ namentlich 23 Wirte bei damals grad mal 3000 Einwohnern. Und um das Jahr 1800 waren es noch 18 Wirte, neun Brauer und fünf Weinbrenner, die wiederum Aufträge für sieben Küfer hatten.

Und auch ohne den V. S., den Vinzenz Sättele, seines Zeichens Braumeister und Zunftmeister in der Färberstraße bis 1864 kam es 1879 zu wahren Rekordzahlen: die zehn  Villinger Bierbrauer stellten 529 000 Maß Bier her.

Ehren-Kodex. Gibt es heute eine wahre Vielfalt, Gäste bewirten zu wollen, wie Gasthof, Bistro, Gasthaus, Pils-Bar, Bier-Klause oder auch Bier-Hausbrauerei und dazu eine begleitende Hygiene-Verordnung und die Sperrstunde, hatten die Wirte von einst ihren Ehren-Kodex und ihre berufsständische Ordnung. Darin wurden sie durch den „Ehrsamen Rat“ der Stadt bei Strafe von 20 Pfund verpflichtet. Denn  die  Schild- und Zapfenwirte hatten in der Zeit vor 1690 bei ihrem Schankangebot an Weinen unterschiedlich gehandelt, worüber sich die Bevölkerung als das „gemeine Wesen“ rechtschaffen beklagte: „Wer seinen Wein nicht schätzen lasse oder teurer ausschenke, als derselbe geschätzt worden“, der wurde wegen dieses Zunftvergehens bestraft.

Hochzeit und Herberg. Den Unterschied zwischen Schild- und Zapfenwirten machte aus, so in einer Eingabe an den Rat der Stadt aus 1685 zu lesen, dass die einen für ihr Gasthaus das Recht hatten, Gäste auch zu beherbergen und deren Pferde einzustellen, während dem Zapfenwirt vorbehalten war, Wein aus Fässern abzufassen und der ‚durstigen Seele‘ diesen im Krug mit über die Straße mitzugeben.
In 1715 heißt es dann, dass diejenigen mit einem Bierrecht auch „männiglich Essen und Trinken gewähren, auch Hochzeit und Herberg halten mögen, so einem simplen Weinschenk nicht vergönnt sei“.
Das höhere Schildrecht ruhte als Realrecht dabei solange auf dem Haus, sofern auch die Abkömmlinge oder der erste Käufer es übernehme, andernfalls solle es erlöschen.

Ein Prozent Gewinn. Den Brauern jedoch ging es nicht zu allen Zeiten rosig, denn ihre Zunft galt als überbesetzt. Als ein Conrad Singer 1766 das Braurecht für sein Haus beantragte, erklärte ihm die Wirtezunft, dass ihre Gewerbe vollends auf dem Rücken liege: Der Gewinn betrage grad mal einen Gulden von 100 eingenommenen.

Wuchtige Totale aus dem einstigen Meyerhof

Bestens besetzt war man um 1800 in Villingen auch mit 17 Tavernen-Wirten und einem Schankhaus.

Wie die Wirtshäuser der Vergangenheit hießen, präsentiert eine chronologisch geordnete Liste, wobei einen die Jahreszahlen der ersten urkundlichen Erwähnung wahrlich überraschen können:

1521 Wirtshaus „zur Flasche“; 1532 „zum Hirschen“; 1544 „zum Bad“, 1554 „zum Lamm; 1565 „zur Krone“; 1559 „zur Lilie“; 1560 „zum Mohren“; 1562 „zur Sonne“; 1563 „zum wilden Mann“; 1593 „zum Schwanen“; 1597 „zum Adler“; 1597 „zum roten Löwen“; 1602 „zum Bären“; 1602 „zum Raben“ (ehemals zum Rappen); 1602 „zur Blume“; 1633 „zum Engel“; 1658 „zum Schwert“ (im Volksmund zum Säbbel); 1690 „zum goldenen Ochsen“, 1690 „zum Hecht“; 1744 „zum Schlössle“, 1763 „zum Paradies“; und 1811 „zur Schnecke“.

Viele weitere folgten, bis Ende des vorigen Jahrhunderts, als in 1989 noch 60 Schank-Konzessionen beantragt waren, meist bei Pächterwechsel. Und im gesamten Stadtgebiet soll es gar 400 Gelegenheiten geben, konzessioniert bewirtet zu werden.

 

 

 

 

 

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