Die ‚Bleiche‘ wurde zu Kaiser-Uhren

Einst ‚weißes‘ Handwerk am vorderen Warenbach mit „Natur-und Kunstbleiche“

Noch vor gut einem Jahr kannten die Anwohner zwar ihre Südstadt-Wohnadresse, auch wenn vor Ort wenigstens drei, vier Straßenschilder an den Kreuzungen mit der „Bleichestraße“ schon jahrelang fehlten. Der Mangel ist behoben, doch warum heißt die Bleichestraße eigentlich so?

Das nun hat damit zu tun, dass sich „Bei der Bleiche“ die Wiesen befanden, die rechts und links am vorderen Warenbach der gewerblichen „Natur-und Kunstbleiche“ dienten, die 1782 erstmals erwähnt wird.

Die benannte Bleiche wurde dort bis 1860 in den zugehörigen Gebäuden betrieben, die zunächst rechts des Warenbaches lagen, dort, wo der Anstieg zum Warenberg beginnt. Im Verlauf der Jahre verlegte man die ‚Bleiche‘ auf die linke Seite, in deren allerletzten Mauerresten eines ehemaligen Wohnhauses bis vor 20 Jahren ein Biotop wucherte, bis dort das ‚Spittel II‘ entstand, wo in den 50er Jahren auch kleine „kaiserliche“ Reitturniere stattfanden.

Einige Jahre nach 1860 nutzte Johannes Kaiser aus Lenzkirch die einfachen Gebäude für die Herstellung seiner Uhren. Sein Enkel Wilhelm Kaiser, Sohn des Joseph Kaiser, wurde später der erste gelernte Uhrmachermeister vor Ort. Jahrzehnte später folgten Investitionen in eine moderne Fabrikation an der Weiherstraße, wo sich das Unternehmen zu einer der größten Uhrenfabriken der Region entwickelte. Schon in den 1920ern zählte  Joseph Kaiser (*1874) mit den Familien Junghans, Mauthe und Kienzle zu den Begründern der industriellen Uhren-Fertigung im Schwarzwald.

 

Ansicht einer Bleiche: Friedrich Christoph Müller (1751-1808); koloriert von wob.

Schon vor 7000 Jahren wurden Bleichmittel für Textilien auf Basis von Schwefel benutzt. Ein ‚Eau de Javel‘ als ‚Javelwasser‘ war erst in der Neuzeit das erste chemische Bleichmittel. Leinen-, Hanf- und Baumwoll-Fasern wurden naturfarben versponnen und verwebt, das Gewebe, gelblich bis graubraun, wurde vor dem Verkauf gebleicht. Frisch gewebtes oder  verschmutzte Textilien wurden auf der Wiese gebleicht, dem Bleichplatz, flach ausgelegt oder aufgespannt und anhaltend feucht gehalten. Die Behandlung bis zum gewünschten Weiß-Grad dauerte Wochen. So gab es neben den Webern, Färbern und Wäschern auch den Beruf des  Bleichers.

Bei „Kaiser Uhren“ in Villingens Südstadt, die in den 50ern- und 60ern zu den zehn größten Uhren-Herstellern in der Republik zählten, hatten viele Villinger ihre Lehre absolviert und einen zunächst sicheren Arbeitsplatz.

Über Jahrzehnte standen die Söhne Franz-Joseph, Rudolf-Edgar und Oskar Kaiser als Vertreter der Inhaberfamilie auch exponiert im gesellschaftlichen Leben. Der Standort ihrer einstigen Stadt-Villen – obere Saarlandstraße, Bleichestraße 2 und Bertholdstraße – sind vielen Villingern heute noch bekannt.

Das Ende für Kaiser-Uhren kam 30 Jahre auf die einstige Blüte mit der Insolvenz, deren Verfahren 1975 geschlossen wurde.

Für die Öffentlichkeit und für die Mitarbeiter von Kaiser-Uhren sah es bereits im Juli 1974 düster aus. Die Journaille titelte damals:

„650 Mitarbeiter bangen um ihre Arbeitsplätze. Kaiser ist in Zahlungs-Schwierigkeiten, sieht jedoch bei Aufträgen von acht, neun Millionen Mark die Beschäftigung für drei Monate gesichert… Der geschäftsführende Gesellschafter Dr. Herbert Zimmermann stellte beim Villinger Amtsgericht den Vergleichsantrag…“

 Doch die Ära ‚Kaiser Uhren‘ war am Ende.

Kolorierter Stadtplan aus den 60ern: Bleiche und Kaiser-Uhren mit Reitplatz.

Einst Weltfirma: die Kaiser-Uhren an der Weiherstraße.

Ansicht einer Bleiche: Friedrich Christoph Müller (1751–1808)

Schreibe einen Kommentar