Vom „Rappen“ zum „Raben“ – Albert Säger bemalte 1911 den Raben
Ein Haus mit wahrlich besonderer Fassade für Touristen und Fotografen und mit Geschichte war und ist der „Raben“. Erstmals um 1700 als „Rappen“ erwähnt.
Eines von nur zwei motivisch gestalteten Häusern, das einst ein Meinrad Ummenhofer 1832 zum Verkauf anbot:
„Markant mit drei Stockwerken, neu und mit Bequemlichkeit ausgestattet, dazugehörig die „Raben-Scheuer“, ein separates Ökonomiegebäude im Nord-Ost-Winkel des Münsterplatzes mit Stallungen für 30 Pferde und Platz für 30 Stück Rindvieh, mit Scheuer und Raum fürs Bierbrauen und mit Weinkeller“.
Josef Faißt schlug zu und zahlte dafür 8400 Gulden. Sein Nachfolger Johann Hall gab 1886 den „Raben“ an Martin Storz ab.
Storz war Metzger und stammte aus Flözlingen; er wirtete im Obergeschoss und verkaufte im Parterre seine Wurst- und Fleischwaren. Er endete mit 45 Jahren an einer Blutvergiftung. Den Storzens lag wirten im Blut: Sohn Karl war später langjährig auf der „Lilie“ und Großvater des „Storze Ernst“, der viele Jahre Wirt im „Ott“ war († 2002).
Ab 1896 wechselte der Raben mehrfach den Eigentümer: zunächst ging er an Metzgermeister Schuler, dem August Rauß folgte. Dann kam 1903 Karl Ketterer, der für 46.000 Mark kaufte. Schließlich ließ Konditor Wilhelm Schlaich den Raben abreißen und nach Plänen des Architekten Nägele zum modernen Café gestalten. Die bis heute markante Fassade dazu entwarf und malte Albert Säger 1911.
Alber Säger ist in der Kunstgeschichte zwar nicht zwingend präsent, denn für ihn hatte wohl sein Kunsthandwerk stets Vorrang. Säger kam am 30. Januar 1866 zur Welt ( † 1924), als die industrielle Produktion aufkam und Handwerk und Kunsthandwerk an Einfluss und Ansehen verloren. Vieles produzierte man glatter, monotoner und uniformer.
Sägers familiäre Herkunft war die der Maler-Handwerker mit Tradition, wie schon beim Großvater Barnabas und Vater Rudolf. Da konnte Albert nur folgen.
Seine damaligen Arbeiten entsprachen dem Stil der Zeit: gekonnt, selbstbewusst und überzeugend. Grad wie es auch das Café Raben verlangte: mit Medaillons und gegliederten Girlanden, prägnant betont durch Kuchen, Kaffeegeschirr, Krüge und Gläser.
Szenisch wird getanzt wie bei einer Hochzeitsgesellschaft, und den lokalen Aspekt betonen die regionalen Trachten. Und ist da nicht auch ein Flirt zu erkennen, der sich unter den Tanzenden abspielt…das Café als Treffpunkt?!
Den Namen „Raben“ nehmen zwei Szenen auf und sind zugleich das Fassaden-Programm: ein Nest mit Raben und offenen Schnäbeln, über die die ‚Raben-Mutter‘ wacht. Und die Herren Raben sieht man beim Tabak-Kolloquium, wie sie sich die Zeit vertreiben.
Mit dabei zwei Raben-Kellner, devot und servil. Es scheint, als hätte sich Säger an britischem Personal orientiert, denn damals bereits bestehende Motive boten sich an zur Adaption, sie plakativ und witzig zu verbinden: Albert Säger, der Grafiker als Künstler-Handwerker.
Und da es anzunehmen ist: Säger hat wohl auch die Hinterglas-Malerei geschaffen, die die Bleiverglasungen der Fenster auf des Raben-Nordseite zieren.
Hier 4 der ca. 20 Stadtmotive zur nostalgischen Beschaulichkeit:
in Blei gefasst und mit historisches Kleinod – die Fenster im „Raben“.
Wer‘s historisch ausweitet, der weiß auch, dass im Raben 1927 auf Initiative der Wirtin Schlaich die „Alte Jungfere“, gegründet wurden und man erste „Fasnet-Obede“ feierte, und auch die Glonki-Gilde nahm 1933 hier ihren Anfang.
Irgendwann um 2000 gehörte der „Raben“ dem Villinger Anwalt Wolfgang Berweck (1935- 2016), der der Katzenmusik im Obergeschoss mehrere Jahre Quartier für Mitglieder und Gäste bot. Eine „neue Eiszeit“ brach im März 1997 an, als im Erdgeschoss der italienische Pächter Eis, Kuchen und Mittagstisch boten. Seit Juni 2019 wird nun der Raben erneut zur gastronomisch festen Größe, wenn die aktuelle Sanierung abgeschlossen sein wird.Dabei bleibt das besondere Gesicht des Raben mit seiner Fassade, die Touristen und Fotografen lockt, denn der Raben gehört längst zum Stadtbild mit seiner Schauseite, die sich als Entrée zur Oberen Straße öffnet und einlädt.Während heute Häuser meist anonym erbaut werden, bedeutete die frühere Fassaden-Malerei seit der Renaissance bis ins 19. Jahrhundert Freude an der Farbigkeit, und das mit dem Anspruch nach Repräsentation.Bürgerliche Stadt-Häuser zu bemalen, stellte stets auch die Geschichte von Haus und Region vor. Oft mit mythologischen Figuren, die die Historie verherrlichten und die Macht von Handwerkern und Patriziern legitimierten oder deren lokalen Stolz bekräftigten. Ganz bürgerlich dagegen die Präsentation der noch immer populären „Lüftlmalerei“ im Ammergau. In der hiesigen Art hat Villingen zwei Objekte, die durch ihre Bemalung auffallen: einmal in der Riet- und dann in der Oberen Straße, eben der „Raben“. Eine „Werbe-Bemalungen“ , die vom Villinger Albert Säger, dem Kunstmaler und Handwerker stammt, dessen Bilder noch in vielen Wohnstuben hängen.
De Pfudel
Für eine Anekdote soll vor recht langer Zeit der Villinger Flaschnermeister „Pfudel“ Fischer aus der Oberen Straße gesorgt haben. Als seine Frau ihm bereits vier Mädchen geboren hatte, kam endlich ein Sohn als Stammhalter. Drei Tage brauchte „Pfudel“ in seiner Begeisterung, um die Hausgeburt auf dem Rathaus zu melden. Sein Sitzfleisch bewies er nach und nach mit Freunden im Gasthaus „Raben“, wo man dann am Tag vier gleich auch seinen Geburtstag gefeiert habe….
Mann, oh, Mann….GELUNGEN!
Das kann dem Villinger in Nah und Fern gefallen.
Denn wer es nicht in der Journaille lesen konnte,
dem bleibt nur sein REVELLIO
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