Die alemannische Fasnet, und somit auch die der Villinger, stellt zunächst lokal, regional aber auch bundesweit als Fasching oder Fastnacht, eine jahreszeitliche Besonderheit dar. Dabei veranstaltet ein inzwischen großer Teil der Bevölkerung in tradierter Vermummung mit vereinheitlichter Kleidung, dem sogenannten Häs, organisierte Umzüge.
Im publikumsträchtigen Sog dieses als Brauchtum und Tradition deklarierten Geschehens auf den Straßen und in den Gassen präsentieren sich die nicht-historischen, die weitläufig „karnevalistischen Verwandten“ als Clowns, Glonki, Rollis, Hexen oder Harlekine in ausgelassener Lebensfreude und mit ausschweifendem Frohsinn.
Eine hohe Verbrauchsneigung bei Getränken und Speisen kennzeichnet das Verhalten aller Aktiven und ihres Publikums.
Über Monate im Voraus bedeuten diese wenigen hohen Tage der Fasnet eine begleitende wirtschaftliche Wertschöpfung auf nahezu neben-gebewerbliche Weise, in dem ein besonderes Kunsthandwerk saisonale Güter hervorbringt.
Diese sind als Schemen, Häser, Rollen oder Schellen, Radhauben, Fahnen und Fähnele, Abzeichen, Druckerzeugnissen, als Dekoration oder als sonstige närrische Verkleidung dem Verbrauch und Gebrauch dienen, wobei der wohl höchstwertige Gebrauch, wie dem Narro-Häs und dem seiner Begleiter und seiner „Häs-Schwestern“, den Träger oder die Trägerin tief in die Tasche greifen lassen.
Fast steckt eine „Heim-Industrie“ dahinter, wo tausend Euro nicht annähernd für die Hälfte des „Equipments“ reichen.
Der an diesem gesamten Spektakel eher des-interessierte Teil der Bevölkerung frönt derweil den Winter-Sportarten, wenns denn irgendwo noch Schnee hat, fliegt im Kurz-Trip in die Sonne oder hält sich von all den Ereignissen fern, die in der Fasnet-Dienstag-Nacht mit Wehklagen der Narren enden und am Aschermittwoch bunt, bunter am buntesten in der Lokaljournaille seitenweise aufgereiht werden. Narri-Narro!
Aus: Karl Dipfele, Narr und Kultur, VL 1989 oder sonstwann