Ein wenig Trost zur Fasnet-Wehklage 2022 – Wie sich einst Albert Fischer 1914 und 1922 an die alte Fasnet erinnerte
Die Fasnet 2022 wird erneut schmerzvoll! Die närrischen Seelen vieler Narren leiden bereits seit Tagen! Der lokale Humor entwickelt sich zur lähmenden Apathie und düstere Melancholie erfasst die Narren aller Couleur. Schon vor einem Jahr kursierte die erste Narren-Ballade zur Melodie „Der Tag, an dem Conny Kramer starb…“.
Und so konnten hunderte Narren auch an Dreikönig 2022 nicht in das Schunkellied am Brunnen einstimmen und es werden keine Mitwirkenden für die Bälle rekrutiert. Fasnet-Stüble wird es offiziell keine geben. Die Narrenzeitungen werden allenthalben mühevoll gesetzt und vielversprechend werden vergangene Späßchen aufgekocht. Manch einer glaubt, dass der Fasnet-Ausfall 2022 schlimmer werde als jener, der sich 1991 wegen des Golfkriegs darstellte.
Da fällt Trost schwer! Doch der Autor will ein klein wenig den nostalgischen Ausgleich schaffen. Will an jene Jahre der Altvorderen erinnern, als die frühe Fasnet vor 1920 die Tradition und das Brauchtum und die Ereignisse bestimmten, die damals schon „Events“ waren ohne, dass man „das Event“ kannte.
Wenn die Erinnerung die einstigen Ereignisse zur Nostalgie verklärt, dann sind Bilddokumente oft die besten Zeugen für die Zeit von einst. Das gilt für heutige Senioren und deren die Schulzeit in den 50ern, für die Goldene Hochzeit der Eltern oder auch für das Geschehen um die Villinger Fasnet, wie sie 1914 und 1922 Albert Fischer in seinen beiden Büchlein schilderte.
Albert Fischer war Lokführer, Autor, Narr und Sänger und in seiner Zähringerstadt war man nur ein kleiner Teil eines Deutschen Reiches, das auf gesellschaftliche und politische Reformen wartete. Zu lange hatte man national-egoistisch gedacht und auf eine inhumane Kolonialpolitik gesetzt. Alles recht überschaubar, weshalb aber doch einzelne Bürger zu herausragenden Personen wurden, so wie Albert Fischer, der 1927 Zunftmeister bei den Narros wurde.
In seinem grünen Büchlein „Aus Villingens Vergangenheit“ aus 1914, gebunden in Leinwand und erschienen im Verlag F.K. Wiebelt, fallen dann – wohl erstmals verfasst – zehn Seiten zur alten Villinger Fasnet auf.
Fischer schildert diese aus seiner Zeit, als die familiäre Rollenverteilung – wohl auch bei den Fischers – die patriarchalische war, nach der meist die Männer die Gesellschaft, die Vereine und die Lokalpolitik bestimmten.
Und so zählte Albert Fischer zunächst auch zu jenen, die um 1908 den Eisenbahner-Gesangsverein „Flügelrad“ gründeten, wobei er die Teilnahme an den laufenden Proben der Stadtmusik nicht fallen ließ.
Fischers Enkel Manfred Fischer, einst Werbeleiter und engagierter Sparkässler in Villingen, war sich stets sicher, „dass Opa Albert einst auch Oboe spielte und er deshalb in einer alten Mitgliederliste auftauchte“, wie er von Rolf Greitmann, aktuell Vorsitzender des Fördervereins der Stadtmusik, erfahren konnte.
Schon möglich, dass Albert Fischer bereits damals aus dem Münster-Kirchenbuch wusste, dass sich die historische Linie seiner Familie bis 1630 zu einem Michael Fischer erkunden ließ.
Bei dieser gemischten Interessenlage kommt es schließlich 1914 dazu, dass Albert Fischer Autor wird und der Verlag F. K. Wiebelt sein Werk „Aus Villingens Vergangenheit“ mit 143 Seiten veröffentlicht.
Es sei Zeit und Grund genug gewesen, so Fischers Vorwort, die neue Zeitepoche mit Villingen als Garnisonsstadt mit auch „ruhmvoller Vergangenheit vor Augen zu führen“.
Schon zuvor war Albert Fischer als redaktioneller Mitarbeiter des „Villinger Volksblatt“ aufgefallen, wo man seine Aufsätze – adaptiert aus den Quellen „alter Büchern und Schriften“ sowie aus mündlichen Überlieferungen noch lebender alter Bürgersleute“ – veröffentlicht hatte.
Warum also nicht alles „auch in Form einer billigen Broschüre herstellen zu lassen“, so Fischer in seinem Vorwort.
Was zunächst folgte, liest sich bis heute spannend und interessant, klar und verständlich. Auch die zehn Seiten, auf denen Fischer „dem höchsten Festtage“ der Alt-Villinger, nämlich der ‚Villinger Fasnet‘, ein Plätzchen widmet.“
Noch war Fischer frei von einem Narro-Vorstandsposten und schildert begeisternd, schmeichelhaft und überraschend reizvoll die Fasnet und ihre Hauptperson ab 1760 bis 1900.
Fischer schrieb:
„Die Villinger Fasnet ist in ihrer jetzigen Gestalt schon alt… schon 1760 waren die Narros die Hauptpersonen. Das heutige Narrohäs ist das gleiche wie damals, einige kleine Änderungen ausgenommen.
So hielt das „Hansele“ auf dem Rücken des „Schobens“ statt der jetzigen Katze eine großes Bierglas (als altes Eichmaß); auf die Hose war hinten in der Mitte ein großes Posthorn gemalt, noch zuvor eine große strahlende Sonne.
Auch die Holzlarven, „Schämmen“ genannt, sind schon sehr alt. Die ältesten sind wohl die „Halbkreuzer-Schämmen“ von Schreiner Körner, dann die „Ölmüller“, so genannt nach ihrem Verfertiger, dem Ölmüller Ackermann, der anfangs des letzten Jahrhunderts hier gelebt hat.
Diese Larven werden heute (Anm. 1914!) teuer bezahlt, oft bis zu 100 Mark das Stück. Sie gelangen aber selten zum Verkauf, sondern werden meistens vererbt. Die übrigen Larven nannte man früher „Bildhauer“, weil ihre Verfertiger Bildhauer waren, wie der Alt-Felsen-Wirt Josef Ummenhofer, der Sieber sen. und Emil Ummenhofer, deren Larven den „Ölmüllern“ nicht viel nachstehen. Schlecht geschnitzte „Bildhauer“ erfreuten sich des Beinamens „Brettle-Schämmme“.
Freischaltung erteilt.
Man(n) muss immer erst prüfen, wer die Freischaltung verdient!
Großartiger Artikel über Albert Fischer.
Habe als ehemaliger Ratsherr der Narrozunft wieder mehr über ihn erfahren.
Vielen Dank an den Verfasser des Vorwortes.