Von Allerheiligen, den Franziskanern und dem Gottesacker – Historisch vergessen: der Franziskaner-Friedhof an der Rathausgasse
Friedhöfe sind nirgendwo die Orte der Lebensfreude, viel eher der Besinnung, des Trostes, der Ruhe, der Erinnerung und des Bewusstseins über die Vergänglichkeit auf Erden. Lokal-historisch nennt man die Orte der Begräbnis- und Trauerkultur auch ‚Gottesacker‘, was meist mit tiefer Religiosität der Hinterbliebenen und je nach Ansehen und Bekanntheit eins Verstorbenen oft auch mit Teilen der Bevölkerung verbunden ist.
So sind die Begräbnisstätten oft auch die Orte der letzten Ruhe von Bürgern, denen man zu Lebzeiten wegen ihrer Verdienst um die Gemeinde oder in der sozialen Erfüllung besonderer Pflichten die Villinger Ehrenbürgerschaft verlieh, zu denen bis 1972, dem Jahr der Gesamtstadt, Heinrich Osiander, Bürgermeister (geehrt 1903); Hermann Schwer, Fabrikant (1935), Johanna Schwer, Stifterin und Fabrikantin (1938); Alban Dold, Pater (1958), Paul Revellio, Lehrer und Lokalhistoriker (1961); Max Weinmann, Münsterpfarrer und Dekan (1967), Karl Brachat, Schulrat und Mitglied des Landtags (1971) sowie Ewald Merkle zählen.
Wer sich für die Historie des Villinger Friedhofs während eines beschaulichen Rundgangs interessiert, kann nicht nur die Dauer-Grabmale der Benannten entdecken, es kann einem auch in den Sinn kommen, was der Villinger Heimat-Historiker Hermann Alexander Neugart (1893 – 1974) vor 60 Jahren als Frage publizierte: „Wo sind die früheren Villinger Grabstätten geblieben…?“
Neugart fragte 1954 sehr deutlich, ob es nach wie vor hiesigen Bürgern wie auch touristischen Besuchern der Stadt auffallen könne, dass es in Villingen keine markanten Grablegen mit Denkmal, mit großem Grabstein oder einer Skulptur gebe, die auf eine historische Gestalt aus den früheren Jahrhunderten verweise? Oder ist unsere Stadt einfach nur „arm an historischen Gestalten trotz ihrer 1000-jährigen Stadtgeschichte…?“ – Mitnichten.
Hat Villingen doch seit den Stadtrechten aus 999 bis zur „Schleifung seiner Festungswerke und der Säkularisation seiner Klöster um 1800 doch stets als das geistige und wirtschaftliche Zentrum des östlichen Schwarzwalds“ gegolten, denn die kulturellen Kräfte in der Stadt waren bedeutend.
Womit H. A. Neugart an die Gründung der Uni Freiburg in Villingen und an deren Rektor Matthäus Hummel erinnert.
Auch war Villingens Umgebung der Kornspeicher der Region bis in den 30-jährigen Krieg und die Waren der Wollweber waren auch auswärts begehrte Güter.
Villingen als „fester, bewehrter Platz“ war allerdings oft auch Ort der Belagerungen, wobei manche „heldenhafte Größe“ hier verstarb und zu dieser urkundlich erwähnt wird, dass sie „im Münster“ oder “ in der Franziskanerkirche“ beigesetz wurde. Letztere war nicht nur ein beliebtes Gotteshaus, sondern auch Versammlungsraum bei Bürgerentscheiden oder wichtigen Proklamationen.
Über Jahrhunderte wurden die meisten Verstorbenen jedoch auf dem Friedhof der ‚Altstadt‘ beerdigt, wo 1855 zum verbliebenen Kirchturm eine Kapelle gebaut wurde, wodurch die früheren Friedhöfe der örtlichen Klöster eigentlich in Vergessenheit gerieten, auch wenn dazu manche Besonderheit zu markieren ist.
Als „eingeebnet und verbaut“ gilt der frühere Friedhof der Franziskaner, dem heutigen Osianderplatz, der nach 1939 für einige Jahre zum ‚Platz des 30. Januar‘ wurde.
Was heute kaum noch bekannt ist: der eigentliche Friedhof der Franziskaner soll im Hof des heutigen Rathauses gelegen haben, dessen linker Flügel vom Münster her als Pfarrhof diente, hinter dem „mancher aus den besseren Ständen“ seine letzte Ruhe fand.
Noch heute sind markante Mauernischen zu erkennen, die einst von flächig große Grabmale enthielten.
Überbleibsel früherer Zeiten sind jedoch selbst im Münster als kirchliche Grabstätten nicht gegeben, was daran liegt, dass wegen des damals höheren Grundwasserspiegels der Boden im Münster gleich zweimal umgebaut wurde und dabei wohl „steinerne und bronzene Bodenplatten“ nicht zu Zeugnissen der Vergangenheit wurden..
Auch bei der Erneuerung des südlichen Münsterturmes von 1905 bis 1909 kam es bei den Erdarbeiten zu keinerlei Entdeckung, obwohl Kaplan Ibald jedem ‚Erdarbeiter‘ ein Päckchen ‚Burrus‘ oder Stumpen versprochen hatte, wenn man denn sorgsam mit irgendwelchen Funden umgehe.
So verbleibt dem Kreuzgang im Franziskaner, dem früheren Spital oder ‚Spittel‘ mit einzelnen Grabsteinen die Erinnerung auch an Hans Kraut, den Töpfer bis 1592.
Entweiht auch die eventuell gruselige Totengruft der Benediktiner in deren Kirche, obwohl diese nach der Säkularisation als Salzlager, Ausstellungsraum und Soldatenunterkunft diente.
Und auch bei den Kapuzinern fiel alles dem Vergessen anheim. Dort, wo einst ein Kolonialwaren-Händler namens Bottling seine Geschäfte betrieb, haben sich bei den Fundamentierungsarbeiten am Klostergebäude einst auch die Buben mit den Fundstücken an Knochen und Schädeln zu schaffen gemacht.
So blieben adlige Herrschaften einzig bei den Johannitern und in deren Kirche an der Gerberstraße ehrenhaft in Erinnerung: die beiden Komture Dietrich Rollmann von Dattenberg und Wolfgang von Maßmünster, dem Hans-Kraut eine Keramik in großer Dimension widmete: das Seegefecht von Rhodos zwischen Malteser-Rittern und den Türken – zu sehen im Franziskaner und in den städtischen Sammlungen.
…wieder eine perfekte Story über unsere Stadt!