Meine kleine Lokalkunde – auch im Mai 2019 im Schwarzwälder Boten – nimmt die Leser mit zu den Gewannen in Villingen und erklärt, was es mit deren Namen eigentlich auf sich hat.
Seine Nennung ist selten geworden, doch mancher Bürger mit breiter Bildung erinnert sich noch an ihn, den „Graf Koks von der Gasanstalt“.
Dass ein solcher nach 1874 auch in Villingen lebte, als hier die Stuttgarter Gas- und Wasserleitungs-Gesellschaft ein erstes Gaswerk in den Lantwatten für die Straßenbeleuchtung errichtete, bleibt 155 Jahre später unbeantwortet. Auch wenn sich die Erklärung nach 1900 und auch später bei den sogenannt ‚neureich Bürgerlichen‘ findet, die sich im Kohle-, Gas- und Teer-Geschäft mit gewissem Reichtum wenigstens materiell als öfters hochnäsig Bessere vorkamen.
Später dann in den 1950ern und 1960ern schalt man einen „Graf Koks“ jene Person, die in der Manier eines Stenz besonders vornehm tut und eben als Angeber gilt. Dass es dabei auch um einen „Gogs“ ging, den der so Bescholtene aufhatte, gilt mundartlich auch bis heute als auffällige Kopfbedeckung.
Doch zurück zu den Wiesen der Lantwatten, der unteren, der mittleren und der oberen und der angrenzenden Schlachthaus- Herren- und der Mühlen-Straße, wo ein Villinger „Graf Koks“ wohl all die Jahre fremd blieb.
Denn das Gaswerk Villingen, einst von der Stuttgartern dort erbaut, wo Jahrzehnte später 1990 das Arbeitsamt als Agentur für Arbeit errichtet wurde, wechselte im Eigentum kurze Zeit später auf den Stuttgarter Kaufmann Friedrich Wagner und ging danach an die Familie des Hugo Tormin, bis letztere es 1905 an die Stadtgemeinde Villingen verkauften.
Ansonsten boten die Lantwatten von einst keinen Grund, sich ihrer Nutzung besonders zu freuen. Denn die ehemaligen ‚Niederungswiesen‘, östlich der Brigach bis zu den Mühlen-Kanälen südlich der Stadt und bis zum ‚Gutleuthaus‘ waren jene Gemarkung, die man allenfalls durchwaten konnte oder, weil es ein sumpfiges Gelände war, man hindurch waten musste.
Denn das Gelände war hier wegen der hoch gestauten Mühlen-Kanäle, der unteren Öl-Mühle, der Herrenmühle und der Kuth-Mühle stark versumpft.
Doch für die Stadt war es ganz sicher ein Geschäft, 1905 bereits 295 000 Kubikmeter zu je 21 Reichspfennig vor allem als Kochgas verkauft zu haben, denn kurz nach der Übernahme wurde ein freistehender Gasbehälter, ein Gasometer, für einen Vorrat von mindestens 1500 Kubik erbaut. Die aus heutiger Sicht geschätzten Ausmaße des Stahlzylinders von einst: 10 Meter hoch bei 14 Metern Durchmesser.
Mit diesem Volumen kam es 1914 zum Verkauf von 500 000 Kubik, der bis 1925 auf 717 000 Kubik ausgeweitet wurde.
Da lag nahe, Villinger Gas, das bei 1000 bis 1200 Grad aus Kohle gewonnen wurde, die mit der Bahn kam, an die Haushalte und auch nach Schwenningen zu liefern. Dazu bedurfte es eines lokalen Druckreglers und für die 7,5 Kilometer Fernleitung einen Kompressor für den flüchtigen Stoff.
Der dies 1928 mit viel Pathos einer breiten Bevölkerung im damaligen Anzeigenblatt „Der Villinger Bot“ detailliert erläuterte, war ein J. Ludwig, der sich fürs Layout einer Tinte-Zeichnung des „malenden Boschtles“ Guido Schreiber *) bediente.
Graf Koks oder doch Gogs
Die Erklärung zu Graf Koks gehört ins Umfeld neureicher Bürgerlicher im 19. Jahrhundert, wie den Industriellen-Familien Stinnes, Thyssen und Krupp. Sie wurden wegen ihres neuen Reichtums aus der Montan-Industrie von den einfachen Bürgern als ‚Schlotbarone oder Koks-Grafen‘ betitelt. Doch die Bezeichnung könnte auch von einem steifen Hut, ähnlich einem Zylinder oder Bowler stammen, der früher „Coks“ oder eben „Gogs“ genannt wurde. Eine solche Kopfbedeckung trug Ende des 19. Jahrhunderts der englische Dandy William Coke, durch den der Hut populär wurde.