Als im Spanischen Erbfolgekrieg im Juli 1704 das französische Heer zunächst mit 10 000 und später gar mit weiteren 20 000 Mann auf dem Marsch von Frankreich nach Bayern auch vor die Stadt Villingen zog, diese unter Beschuss nahm und mehrere Tage belagerte – wenn auch vergeblich – fielen bei den Angriffen auch zwei französische Generäle, von denen der eine noch während der Belagerung beim „Rotkäppele“, nahe dem Kirnacher Bahnhöfle, der andere in der „Hammerkapelle“ beigesetzt worden seien. Mit ihnen bestattet habe man auch 24 Constabler.
Was aber hat es mit dieser ‚Heimat-Historie‘ auf sich, die 1972 der damalige Eigentümer der Kapelle, Rechtsanwalt Wolfgang Blessing (1933 – 1995) prüfen ließ, als im Zusammenhang mit der Renovierung der Hammerkapelle das Innere des kleinen Gebäudes bis auf zwei Meter Tiefe ausgehoben wurde.
Doch fand man weder ein Grabreste noch Bruchstücke, die auf eine besondere Nutzung des Bodens als Grabstelle in früherer Zeit hätten schließen lassen.
Diffuse Legende. Als diffuse Legende muss auch gelten, dass an der B 33 in Richtung Bad Dürrheim auf dem Gewann „Beim Aasener Käppele“, wo ehemals auch ein Kirchlein stand, eben dieses Kleinod des Glaubens abgetragen und zur „Hammerkapelle“ beim Kurgarten geworden sein soll – kilometerweit westlich.
Mögen solche Geschichten auch Generationen überdauert haben, entbehren sie doch der Logik, dass das Baumaterial dagegen spricht, das man jeweils vor Ort fand: die Hammerkapelle aus Buntsandstein, während die kleine Aasemer Kapelle eben auf Muschelkalk oder Keuper stand und am Stallberg und am Kopsbühl, also ganz in der Nähe, sich alte Steinbrüche im Muschelkalk befanden.
Die Grüningers. Wer aber hat aus welchem Anlass die Hammerkapelle mit der Jahreszahl 1723 auf dem Türsturz erbauen lassen? Da ist einmal die Beziehung, dass die Kapelle zur nahe gelegenen Hammerschmiede „Unterer Hammer“ gehörte, die etwa 100 Meter südlich der Kapelle stand und nach 1704 auch als Feilen- und Eisenhammer-Schmiede von verschiedenen Eigentümern betrieben wurde: 1667 Michael Grüninger, Kupfer-Hammerschmied; 1693 Jakob Grüninger; 1713 Franz Grüninger; 1766 Joachim Grüninger und 1784 Joachim Grüninger.
Allesamt entstammten einem der beiden Familienzweige der Grüningers, deren Namensvettern ihr Handwerk als Glockengießer verstanden, wie es 1767 Josef Benjamin Grüninger war, der die Glocken für den Benediktinerturm goss – ein Nachfahre des Joachim Grüninger, der 1645 die Gießerei von seinem Schwiegervater Christoph Reble übernahm.
Ur-Vater Michael. Die Hammer-Dynastie, die 300 Jahre hielt, begann nach dem Ur-Vater Michael mit dem Sohn Matheus und den Enkeln Jakob Pelagius und Meinrad Anton. Letztere gelten eben um 1723 auch als Stifter und Erbauer der Hammerkapelle.
Ein wichtiges Indiz, dass die Geschichte der Kapelle aufhellt, ist ein Schenkungsvertrag aus 1740, in dem die Brüder einem Unbekannten mit Eintrag ins Kataster eine Zuwendung machen.
Darin heißt es, dass „zur Erhaltung der beim Hammer stehenden Kapelle zwei Jauchert Ackerland beim Aasener Käppele“ gestiftet wurden.
Späteren Eigentümern des „Hammer“ wird der ständige Gebrauch und Nutzen eingeräumt, verbunden mit der Auflage, das gestiftete Feld „darf weder verkauft noch verpfändet werden“.
Lag dieser Stiftung zunächst ein religiöses Motive zugrunde, wollten die Brüder Grüninger wohl auch, dass die Bausubstanz erhalten bleibe, was in der damals feudalistisch-agrarwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung des 18. Jahrhunderts meist über eine Real-Last beim Grundeigentum erreicht wurde.
Altar von Schupp. Wolfgang Blessing, Sohn des benannten „Oberhuus-Buer“, vermutet 1989 wohl zu recht, dass für den hölzernen Altar, den er renovieren ließ, der Villinger Künstler Anton Schupp Pate gestanden haben könnte. Pelagius Grüninger heiratete nämlich dessen Tochter Eva Schupp, doch wurde er bald Witwer, heiratet jedoch weitere drei Mal: die Catarina Baumännin, die Salome Fleigin und die Cunigundis Nizin, die ihn ab 1772 dann überlebte.
Auch im 19. Jahrhundert spielten die zwei ‚Jauchert‘ Ackerfeld im Gewann „Beim Aasemer Käppele“ immer dann wieder eine Rolle, wenn der Hammer“ samt Kapelle weiter verkauft wurde, wodurch „der stets gegenwärtige Käufer […] alle Freitag in der dabei stehenden Kapelle einen Rosenkranz für die Abgestorbenen durch ein oder mehrere Personen muss beten lassen und er die Kapelle immer und allezeit in baulichem Stand zu erhalten hat“.
So stellten die Kapelle und der Hammer eine Einheit im Eigentum dar, wie es auch bei Andachtskapellen und Schwarzwaldhöfen der Fall ist: aus religiöser Bindung der Familie und in göttlichem Auftrag, die Kapelle nachfolgenden Generationen zu erhalten.
Städtischer Rosenkranz. Als Anekdote gilt, worauf Wolfgang Blessing 1989 verwies, dass nämlich längst die Stadt Eigentümer des ehemaligen Hammergeländes sei, was dazu hätte führen müssen, dass wegen der ‚obligaten Real-Last auf dem Grundstück‘ die Stadt sowie die Kur- und Bad GmbH als aktuelle Eigentümer des Kurgartengeländes den all-freitäglichen Rosenkranz abzuhalten hätten, woran jedoch Zweifel bestünden, ob dies jeden Freitag geschehe.
War doch über mehrfachen Tausch von ehemals zwei Jauchert Allmend (Ackerland) nach verschiedenen Eigentumswechseln in den Jahren 1935/37 der heutige Kurgarten entstanden, der durch Maßnahmen der Arbeitsbeschaffung im Dritten Reich gemeinsam mit dem Kneippbad erbaut wurde.
Vielfacher Eigentümerwechsel. Doch zurück zur Kapelle: 1835 werden Osiander & Schönecker als Hammerwerksbesitzer genannt, die neben diesen Unteren Hammer, den Mittlere Hammer (ehemals Feldner Mühle) und den Oberen Hammer beim Kirneck am Kirnacher Bahnhöfle besaßen – letztere als Tuchwalke. Heinrich Osiander (1794 bis 1856), betrieb die Hämmer später allein.
Sein Sohn Heinrich Osiander (1838 bis 1924) wurde später Bürgermeister von 1882-1903, was ihm als erstem Ehrenbürger der Stadt mit ein Ehrengrab nahe der Altstadt-Kirche gewürdigt wurde.
Im weiteren Verlauf wurde das Hammerwerk um 1880 zu einer Stärkefabrik, wo man Dungmehl fabrizierte, und zuletzt wurden die Gebäude als Restaurant „Waldblick“ genutzt, wo bis Mitte der 1970er Jahre mancher Fasnet-Ball und mancher Tanzschul-Abschluss gefeiert wurde.
Sozis und ihre Gazette. Eine überaus weltliche und auch politische Bedeutung erfuhr die Kapelle in den Jahren um 1880, als Reichskanzler von Bismarck die Sozialistengesetze erlassen hatte.
Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie. Es verbot sozialistische und sozialdemokratische Organisationen und deren Aktivitäten im Deutschen Reich und galt damit als Parteiverbot.
Demnach war das Kampfblatt „Der Sozialdemokrat“ – gedruckt in der Schweiz – verboten und dessen Lektüre war zu verhindern.
Doch über die nahe Grenze habe man die Polit-Gazette wohl auch in die Region geschmuggelt, hinter dem Altar der Hammer-Kapelle in jener Zeit zur Übergabe versteckt und vor allem ins sozial-demokratisch orientierte Schwenningen weitergegeben.
„Villinger Volksblatt“ vom 19. 8. 1909:
„Villingen, 18. Aug. Vor dem hiesigen Gr. Notariat I kam gestern Nachmittag das Restaurant ,Waldblick‘ des bisherigen Eigentümers, des Hotelier Heinrich Rieland von Kreuzlingen, mit sämtlichen Gebäuden, Grundstücken und Zubehör zur Zwangsversteigerung. Den Zuschlag erhielt mit einem Angebot von 43 000 Mark der Oberhaus-Bauer Johann Baptist Blessing.
Das Angebot blieb um 5 000 Mark gegen den Anschlag zurück.“Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie.
Es verbot sozialistische und sozialdemokratische Organisationen und deren Aktivitäten im Deutschen Reich und kam damit einem Parteiverbot gleich.