Von der Klosterschule für Mädchen, den Externen und den Posiealben früher Jahrgänge
April 1927 – nach den Osterferien blieb für die 10-jährigen Mädchen des Geburts-Jahrgangs 17/18 eigentlich alles beim Alten. An der Mädchenschule – in quasi häuslicher Nähe zum Kloster St. Ursula – setzten sie ihren Weg in Klasse 5 der Volksschule fort. Nur wenige gingen zur sechsjährigen Kloster-Realschule, die schon 1914 mit einem speziellen Lehrplan am Lehrinstitut St. Ursula eingerichtet worden war.
Die Mädchen jener Zeit galten allesamt als brav und waren katholisch. Das war günstig bei einer Klassenstärke in der ‚Normalschule‘ mit 50 bis zu 65 Mädchen, die meist lange Zöpfe, ebensolche Strümpfe und auch geschürzte Kleidung trugen, denn die wenigsten kamen aus begüterten Familien, und an modische Extras war nicht zu denken.
Mit gleichaltrigen Buben hatte man allenfalls Kontakt in der eigenen Familie oder in der Verwandtschaft. Und so spielte man in der Freizeit nicht nur mit Puppen, sondern auch mit Perlen und großen, farbigen und kleinen gesprenkelten ‚Kigele‘ das inzwischen wohl völlig vergessene Spiel der „Schweizer Kühle“ oder man liebte das „Scherrle“ auf irgendeiner Hausgang- oder freien Treppe.
Pensionatskurse. Es mag ein wenig anders gewesen sein für jene Mädchen „aus dem In- und Ausland, die nach Abschluss ihrer Volksschule als Interne oder auch als Externe am Lehrinstitut in sogenannten ‚Pensionats-Kursen‘ auch in Französisch unterrichtet wurden“.
Damals eher doch meist unbedarfte Mädchen mit 15 oder 16 Jahren, „die sich dem Lehrerinnenberuf im Kloster oder in der Welt zu widmen gedachten“, schreibt Helmut Heinrich, der frühere Schulamtsdirektor in seinem Beitrag zu „200 Jahre St. Ursula (1982).
Denn nach dem Bau eines weiteren Gebäudes für die Mädchen-Normalschule konnte der Platz für das Pensionat und für die spätere „Töchterschule“ noch vor der Jahrhundertwende ausgebaut werden.
Musteranstalt. In der Folge des ‚Kulturkampfes‘ hatte man zwar in Baden ab 1876 die konfessionell gebundene Volksschule aufgehoben und statt derer sogenannte ‚Simultanschulen‘ installiert, doch entschied man sich eben in Villingen auch dafür, den Unterricht am Kloster wie bisher fortzusetzen, jedoch auch unabhängig von Religionszugehörigkeit.
So änderte sich wenig in der konfessionellen Struktur für „die altehrwürdige Stätte als Musteranstalt im Sinne des Staates“. Wurden doch auch die wenigen evangelischen Schülerinnen, vor allem aus den Nordstetter Bauernhöfen, schon immer problemlos mit den katholischen Schülerinnen unterrichtet.
Über Politik und Weltgeschehen waren die „Backfiche“, die „Gecks-Nasen“‚ die „Teenies‘ von einst eher nicht informiert, auch wenn es in manchen Familien erste Rundfunk-Röhrenempfänger gab oder aber gelegentlich auch eine Zeitung ins Haus kam:
Guiseppe Motta wurde 1927 zum dritten Mal Bundespräsident der Schweiz; im April bildete General Chiang Kai-Shek in Nanjing eine chinesische National-Regierung und im Juni wurde der Hindenburg-Damm eröffnet, der die Insel Sylt noch heute mit dem Festland verbindet…
Schwarzer Freitag. Gab es lokal noch zahlreiche Bäcker, Metzger und Kolonialwarenhändler, musste man auch nicht wissen, dass in Köln eine Rewe als Genossenschaft gegründet wurde.
Und in Villingen ahnte man kaum etwas von eventuellen Folgen des bevorstehenden 13. Mai, der als „schwarzer Börsenfreitag“ von Berlin aus die Wirtschaftswelt erschüttern sollte. Denn noch hatte die Deutsche Reichsbank die deutschen Geschäftsbanken nicht genötigt, gegen überhöhte Aktienkurse vorzugehen, worauf an eben diesem Freitag der Aktienindex des Statistischen Reichsamtes an der Börse Berlin innerhalb eines Tages um 31,9 Prozent einbrach.
Max Schmeling. Galten folglich die Mädchen des Villinger Geburts-Jahrgangs 17/18 wie auch die wenig älteren Klosterschülerinnen damals als gut behütet galten und vor allem auch hauswirtschaftlich ausgebildet, waren manche dann doch auch darüber informiert, dass im Mai 1927 Charles Lindbergh nonstop von New York nach Paris geflogen war und eine Clärenore Stinnes und Carl-Axel Söderström mit einem Auto die Erde umrundeten.
Von der erstmals 1927 gewählten Miss Deutschland hatten jedoch die wenigsten Mädchen wohl Näheres erfahren; allenfalls davon, dass ein gewisser Max Schmeling in Dortmund Europameister wurde.
Poesie-Alben. Denn als Zehnjährige oder Elfjährige gab es im Freundeskreis oft nur eine Thema: das möglichst oft kreisende Poesie-Album unter Freundinnen und vor allem unter den Schulkameradinnen.
Möglichst beginnend mit einem Eintrag der Klassenlehrerin wie Elke Brosius (1924), dann aber eher nicht auch vom gestrengen Lehrer und Professor Winter, sondern gefolgt von den Villinger ‚Schuel-Maidle‘ jener Zeit mit ihren Mädchennamen: Rosa Scheppach, Luise Graf, Maria Graf, Hilda Erat, Anna Hummel, Paula Gilbert, Klara Schütz, Anna Walther, Rosa Laule, Anne Fleig, Johanna Käfer, Linda Burghardt, Paula Disch oder Erna Gremmelsbacher.
Im Jahr 2019 feierte die letzte Vertreterin ihres Jahrgangs 1917 im Heilig-Geist-Spital die noch immer seltene Gnade des 102ten Geburtstags: Paula Schreitmüller, geborene Disch.
Über Jahre und Jahrzehnte zählte sie auch zu jenen, die sich bei den Jahrgangsfeiern auch dem Unterhaltungsprogramm stellten, wo dann auch die „Buben aus 17/18“ mit dabei waren. Zum Jahrgang zählte auch der Arzt Otto Grünewald, der Möbelhändler Willi Oberle (Bild), die Musik- und Schallplatten-Kauffrau Gertrud Schöller oder der Geräte-Fabrikant Erwin Reinhard (de „Henne-Reinhard“) – doch „tempi passati“.
Einstige Jahrgänger 17/18 beim Festen: Toni Ummenhofer, Paula Schreitmüller, Luise Bräun und Willi Oberle, der ehemalige Möbelhändler in der Oberen Straße.
Superiorin des Klosters St. Ursula bis 1927: die Villingerin Hedwig Hoffmann.
Poesie-Alben waren in den 1920ern der Renner: hier eine Widmung der Klassenlehrerin Elke Brosius aus 1924.