Schlips, Binder oder doch feinste Seide ? – Die Krawatte – Relikt oder Trend?
Man(n) möchte dem ZDF-Polit-Profi Theo Koll in Berlin den künftigen Titel des „Krawatten-Mann des Jahres 2021“ gönnen, denn sein Studio-Heute-Kollege Christan Sievers kommt nicht ganz an die Koll-Akkuratesse ran, die Koll bei Hemden mit Tab-Kragen und Krawatte beweist. Denn Sievers trägt eher den einfachen Schlips, der ihm wohl aus der Schranktür grad mal in die Hand fällt.
Und so war wohl auch der smarte Daniel Hartwich bei RTL überrascht, zum „Krawattenmann des Jahres 2015 “ gewählt worden zu sein, auch wenn er damit bei Willy Brandt (1967), Günter Jauch (1991) und Hape Kerkeling (2011) eingereiht wurde. Der erste geehrte Schlips-Träger war übrigens ebenfalls Showmaster: 1965 Hans Joachim Kulenkampff.
Erste „Krawatte“ gegen die Kälte und zum Schnäuzen
Über den Ursprung der Krawatte gehen die Ansichten auseinander. Gilt doch als älteste Erwähnung der Trajans-Säule in Rom und das Jahr 200 n.Chr. Auf der Ehren-Säule des römischen Kaisers Trajan posiere dieser mit einem Legionär, beide geschmückt mit einem Leinentuch, das damals Zeit vermutlich als Schutz vor Kälte und zum Schnäuzen gedacht war.
In neuerer Geschichte gilt jedoch Frankreich als Ursprungsland, denn es waren kroatische Soldaten, die während des 30-jährigen Krieges in Frankreich Halstücher trugen.
So leitet sich „Cravat“ im Französischen von der Nationalität für Kroaten (= la croate) ab und bezeichnet ein dekoratives Halstuch der kroatischen Kavallerie in den Jahren 1618 bis 1648.
Halstücher wurden auch in Kriegszeiten getragen, um Freund und Feind zu unterscheiden, wobei ‚Krawatten‘ aus Seide den Offizieren vorbehalte waren, während der einfache Soldaten des Fußvolkes in den unteren Rängen dieses Tuch bloß aus Leinen trug.
So verbreitete sich im 17. Jahrhundert die Krawatte von Frankreich aus ins restliche Europa.
Die Krawatte war nicht die allein kroatische Erfindung, da die Tradition, ein Halstuch zu tragen, auf das Römische Reich zurückgeht. Denn auf des Kaisers Trajan-Ehren-Säule in Rom, wohl errichtet um 200 n.Chr., posiert der römische Kaiser mit einem Legionär, die beide wie zum Schmuck ein Tuch um den Hals tragen.
Eine deutlich spätere Version der ‚Krawatte‘ wurde durch die Kroaten im 17. Jahrhundert während des 30-Jährigen Kriegs (1618-1648) allseits beliebt und verbreitete sich quer durch Europa.
Damals trugen kroatische Söldner als ‚Militär-Grenzer‘ ein Halstuch als Zeichen ihrer kollektiven Zugehörigkeit, als sie sich bei König Ludwig XIII., der von 1610 bis 1643 regierte, für ein französisches Regiment verpflichteten.
Als ein solch kroatisches Reiterregiment sich bei einer Parade in Frankreich präsentierte, habe dieses textile Attribut dem modebewussten König Ludwig XIV. derart imponiert, dass er und der Adel sich bald ebenfalls mit der „Cravat“ schmückten.
So hat sich das Wort cravat (kroatisch: kravata) aus dem französischen „cravat“ entwickelt, das jedoch fehlerhaft für „Croate“ steht.
Spätere ‚Halsbinden‘ waren bis zum 19. Jahrhundert meist weiß, bis die Engländer begannen, Farb-Palette und Knotenformen zu kreieren.
Der Windsor-Knoten, heute wohl der beliebteste, wurde nach Herzog Windsor König Eduard VIII. benannt,
der diesen Knoten trug und bekannt machte.
Selbst im einst habsburgischen Villingen, später ab 1806 badisch, kennt man noch heute das Innenstadt-Quartier „Krawazi“, dessen Name sich daraus ableitete, das einst kroatische Soldaten, sogenannte Rot-Mäntele dort einquartiert waren, wo man die fremden und als gefährlich geltende Soldateska am ehesten sehen wollte.
Modische Krawatten wurden schließlich von adligen Edelleuten und wohlhabenden Bürgern getragen. Groß in Mode kam das ‚kroatische Ritterhalstuch‘ zur Zeit des französischen Barock: ein langes weißes Stofftuch aus Baumwolle oder Leinen, welches komplizierte geknotet um den Hals gelegt wurde. Oft appliziert mit Spitze.
Wer es bequem wollte, konnte das kroatische Ritterhalstuch auch dekoriert und gebunden kaufen.
Die Patrizier trugen in dieser Zeit Spitzenrüsche, womit sie Reichtum und Status ausdrückten. So soll die Spitzenrüsche des englischen Königs Karl II. im Jahr 1660 nach heutigem Wert zirka 10 Jahreslöhne eines Besserverdieners der damaligen Zeit gekostet haben.
Jahrzehnte später wurden rechteckige Halstücher in schwarz und weiß zur Krawatte, worauf im 19. Jahrhundert vielerlei Halsbinden in allen Farben auftauchten.
Im weiteren Verlauf wurden die Halsbinden schmaler und ihre Enden unterschiedlich breit – das Halstuch wird ein „Schlips“.
Auf die Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts wird die Mode jedoch dezenter und für weite Kreise gesellschaftlich tragbar.
Vorläufer des Schlips ist jedoch die englische Vereins- und Schul-Krawatte, erstmals 1880 bestellt von der Universität Oxford. was man nach 1945 einfach auch nur „Binder“ nannte.
Andere Vereine und Schulen übernahmen diesen Oxford-Trend, bis der erste gemusterte Schlips um 1900 in Stadt Macclesfield/ England auftauchte.
Um 1920 wird Prinz Edward von Großbritannien Trendsetter für die Krawatte. Er kleidete sich im Casual-Stil, der bis heute als Mode-Begriff gilt: weiche, lässige Hemdkragen und locker gebundene Krawatte. Die Popularität des Schlipses steigt auch bei der britischen Mittelklasse als Zeichen von Erfolg und Zugehörigkeit.
Doch erst 1924 erhält der moderne Schlips in New York den allseits bekannten Schnitt von Jesse Langsdorf. Er patentiert die Methode, mit der auch heute noch Krawatten geschnitten, genäht, ausgerüstet und konfektioniert werden.
Also beginnt man(n) damit, den Schlips auf verschiedene Weisen zu binden. Populär werden farbenfrohe Schlipse mit auffälligem Dessin, wodurch die Krawatte die Identität des Trägers betonen soll.
Mitte des 20. Jahrhunderts werden viele dieser Schlipse in Deutschland produziert, womit das lässige Wort in andere Sprachen gelangt, allesamt abgeleitet von englisch ‚Slip‘ für Streifen.
Ob Schlips, Binder oder Krawatte – egal, es ist die gleiche Sache, auch wenn anfangs ein Schlips eine besonders schmale, lange Krawatte mit unterschiedlich breiten Enden war, bisweilen schwierig geknotet und meist aus Seide.
Als nach 1945 Anzug und Hemd beliebt werden, gewinnt auch der Schlips an Bedeutung.
Mit der Jugendkultur in den 50-er Jahren trägt man gestrickte Schlipse gar zu Jeans und Nyltest-Hemd, auch wenn andere ‚Beatniks‘ bunte Shirts und Röhren-Hosen trugen.
Das Comeback gelingt in den 60-ern mit dem Outfit der „Beatles“, bevor die Hippie Kultur den Schlips total verweigert.
Ende der 70-ziger Jahre setzen Pop-Ikonen wie Brian Ferry und David Bowie den Schlips wieder in Szene, und auch die 80-ziger Jahre sorgen für ein Revival: Rock- und Popstars und die Yuppie-Kultur tragen wieder Krawatte.
In den 90-ern wird der Schlips oder eben die Krawatte zum allgemeinen Dresscode in Firmen, was Angestellte verpflichtet.
Zum Millennium mit Internet und vielen IT-Protagonisten verlor der Schlips an Status. Doch stets erfuhr die Krawatte ein starkes Comeback. So gehören Schlipse auch bei jungen, trendigen Menschen zum Outfit, entspannt und lässige getragen, ohne dass sie als Statussymbol gelten.
Als Apple-Gründer Steve Jobs Innovationen immer im schwarzen Rollkragenpullover ankündigte, war wohl seine Devise, dass nichts verschwendet oder unnötig sein solle.
Das galt für seine Produkte, seinen Kleidungsstil und seine innere Haltung: kein Ballast, wenig Zwänge und keine starren Prozesse.
Das nun gilt heute oft auch im Bewerbungsgespräch: kurz, knapp ohne feste Agenda. Das wohl genügte Steve Jobs und auch vielen anderen Personalern, um die Kandidaten auf deren Profil abzuklopfen.
Denn auch ohne Krawatte gelten Talent, Leidenschaft und Spürsinn wichtiger als nur Äußerlichkeiten. Also lieber unkonventionell und abgegrenzt von einer Old Economy.
Mit dem Trend zum Drei-Tage-Bart verschwand oft auch die Krawatte in deutschen Chefetagen. Auch CEOs legten sie ab und wollten sich offen zeigen für Neues. Ein Business-Casual-Look wurde präsent und Männer verzichteten auf die Krawatte. Auch Banken und Versicherungen lockerten vereinzelt die seriösen Dresscode-Richtlinien.
Gesundheitlich könne nämlich das dauerhafte Tragen einer Krawatte Denkfähigkeit und Kreativität einschränken; die Arbeitsleistung werde langsamer. Das Ganze auch erhöhe gar den Augeninnendruck mit begleitenden Folgen.
Während man also die Krawatte in Deutschland vor allem der Wirtschaftswelt zuordnet, ist sie in England und Italien allerdings Teil der Kultiviertheit. Für einen Gentleman gehört sie noch immer zum Bild des vollendet stilvollen Mannes, der sich in Anzug und Krawatte selbstbewusst von der Alltagskleidung distanziert.
Vielleicht auch, um sich „im Irrsinn der Welt eine eigene Haltung zu schaffen oder zu bewahren, die sich auch in gutem Benehmen beweist“.
So wird die Krawatte letztlich nicht verschwinden, auch wenn deutlich weniger Krawatten verkauft werden als früher. Denn noch immer stelle sich dem Probanden im Vorstellungsgespräch die Frage nach dem Dresscode