Lichtgang zum ‚Zagate gau‘  und ein Spiel um Erbsen

Wann immer während der Wintermonate die lokale Mottersproch-G’sellschaft zum jährlichen „Lichtgang“ einlädt, wird so manches Mitglied und mancher Gast wohl auch einen nostalgischen Blick auf frühere Zeiten werfen. Auf damals, als nicht alles besser, wenngleich auch gemütlicher war.

Damals, als der bedächtige Alemanne noch als schwer zu bewegender Vertreter seines Volks galt. Denn er war ruhig und ausgestattet mit Erinnerungen an archaische Gebräuche alten Volksglaubens. Doch hat er auch starke und originelle Zeitgenossen hervorgebracht; auch sagenhafte Helden oder Befreier.

Und so liebt der Alemanne seit je her seine Muttersprache, die herzhaft raue bis liebliche Landschaft, er kennt feurige Männer und tapfere Frauen. Als Mitmensch und Nachbar ist der Alemanne bisweilen eigenartig bis liebenswürdig in den von ihm gewünschten Beziehungen. Er hält das Althergebrachte für das Bessere. Er ist bisweilen händelsüchtig bis streitbar bei gleich gearteter Obrigkeit.

Doch das alemannische Individuum hat auch Humor, auch wenn es mit  leicht verzögerter Schlagfertigkeit reagiert, beschaulich zwar, aber nicht ohne Köpfchen.

Hast macht ihn  nervös, stört diese doch die lebensfrohe Natur, die sich vor allem während der „fünften Jahreszeit“, der Fasnet ausdrückt. Dabei war deren Entwicklung von den archaischen Erscheinungen bis zum heutigen Geschehen ohne feste Beziehung zum begleitenden kirchlichen Leben nicht denkbar.

Da der Alemanne auch dem Vergnügen nicht abgeneigt ist, war und ist ihm dies vor allem in der Gemeinschaft oder im kleineren Kreis angenehm.

Während in früheren Jahrhunderten die Klosterbrüder für Passionsspiele und religiöse Schauspiele sorgten oder im Stadttheater des vor-vorigen Jahrhunderts  eine Theatergesellschaft aus ‚Mitgliedern der besseren Stände‘ ein festes Repertoire zum Besten bieten konnte, waren die eher stillen Vergnügen der Bürger, der Frauen und Kinder die der sogenannten „Lichtgänge“.

Um 1910 saßen Mannsbilder  an langen Abenden auch schon mal eher unbeteiligt daneben und spielten mit sich selber Schach nach beschriebenen Partien der Meister…

So nannte man die Zusammenkünfte der Verwandten und Nachbarn in einer Wohnstube an Winterabenden, bei denen die Männer entweder ihr Spielchen machten, aber nicht um Geld, sondern der Billigkeit halber um Erbsen, oder man einfach „auf der Kunst“ um den warmen Ofen saß, die Vorgänge in Stadt und Land besprach und auch manches Pfeifchen geschmaucht wurde.
Die“Stubenen“ waren demnach oft auch verpafft mit besonderem Rauch und dem Geschmack jenes Qualmes, der nicht der beste war.
Denn kein „Burus“ wurde da geraucht, sondern eher die Volksmarke „Schwarzer Reiter B.B.“ oder „Goldener Löwe“.

Die Frauen widmeten sich während der Lichtgänge dem Spinnen und ließen bei schnurrendem Rädchen die missliebigen Nachbarn „durch die Hechel laufen“. Dabei wurde wohl öfters mehr besprochen, als durch die guten oder bösen Eigenschaften nötig…

An langen Winterabenden saßen früher Jung und Alt um den Ofen beieinander, der von der Küche aus beheizt wurde. Als wärmender Mittelpunkt der häuslichen Gemeinschaft galt die Ofenbank, die „Kunscht oder Kuscht“, wie man dies in Villingen benannte. Die steinerne Sitzbank mit Wandlehne erhielt ihre Wärme vom heißen Rauch, der durch die Hohlräume der ‚Kunst‘ in den Kamin zog. Kunst und Ofen wurden auch zum Trocknen der Wäsche genutzt. Dazu waren um den Ofen auch zahlreiche Stängele angebracht, die als ‚Hänki‘ für alles Mögliche Platz boten.

Es war Albert Fischer, der als Villinger Lokführer im ersten und zweiten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts diese Überlieferungen erstmals zu Papier brachte und dabei auch die Randerscheinungen jener Zeiten nicht außer Acht ließ.
Nicht alle Lichtgänge waren nämlich von freudvoller Stimmung begleitet, gab es doch auch Zusammenkünfte „lichtscheuen Gesindels“, das Pläne ersann, den Mitmenschen zu schaden.

Mitte der 1840-er Jahre hielt eine ‚Diebesgesellschaft‘ im Gässchen des Hohlen Grabens, gleich hinter dem „Bürgerlichen Bräuhaus“ neben der damaligen Stadt-Metzg‘, bei einer gewissen „Schnaps-Amrei“ ihre Sitzung ab, die dort des Tags ein kleines Kramlädelchen betrieb.

Bei ihr besprach man dann auch das unsaubere Handwerk oder verteilte die Beute unter mehr als 20 Personen, darunter mehrere ‚Frauenzimmer‘, die viele Einbrüche in Geschäfts-und Privathäuser „erledigt“ hatten.

Da wurde den Bürgern oft schwerer Schaden zugefügt. Doch sollen es auch vermeintlich honorige Geschäftsleute gewesen sein, die sich als Hehler einen zweifelhaften Namen machten.

Bei den Diebeszügen sollen immer wieder ortsbekannte ‚Damen‘ Posten  geschoben haben. So auch ’s Müller Theresle und die „Tritschler Maidle“.

Ein verprellter Kumpan machte jedoch dem Treiben durch Verrat eine Ende. Den Tätern wurde der Prozess gemacht, einige wurden eingesperrt und ein anderer Teil wurde mit anderen aus ebenso „feiner Gesellschaft nach Amerika exportiert“. Worauf es beim nächsten ‚Zagate gau‘ und dem Lichtgang wieder was zum Schwätzen gab.

 

 

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