Metzger in Villingen – von einst bis 2025

Gewinn war, was übrig blieb!          nach est. SK VL

Als Willi Riesle (85) seine Lehre als Metzger begann, gab es noch 26 Betriebe. Doch dieses Handwerk ging langsam unter, auch wenn man derzeit auf Nachwuchs aus Ostasien hofft.

Wie sich die einstige Zahl der Metzgereien innerhalb des Stadtkerns von Villingen darstellte, beweist alein die Erinnerung, als es vor Jahrzehnten gleich auch mal zwei  oder gar drei Metzgereien in einer der vier Hauptstraßen gab.

Übrig blieb Metzger Frick in der Niederen Straße.

Und so ist es Metzgermeister Willi Riesle (85) vorbehalten, sich zum Strukturwandel  zu erinnern. Als er in den 1950er-Jahren im väterlichen Betrieb in der Oberen Straße seine Ausbildung antrat, gab es in Villingen noch 26 selbständige Metzgereien.

Begleitet vom Villinger Schlachthof, damals noch in städtischer Regie, wo es am Schlachttag vor Metzgern wimmelte, wenn montags rund 40 von ihnen geschlachtet und ausgebeint haben, so Riesle.

Als späterer Obermeister der Metzger- und Fleischerinnung Schwarzwald-Bodensee von 1990 bis 2013 hat Willi Riesle diesen Wandel als Vertreter seines Berufsstandes markant mitgestaltet.

Doch die 90er und die Jahre zuvor sind vorbei mit gleich zwei Metzgereien Bär in der Riet- und der Bickenstraße;
in der Oberen Straße die Metzgereien Fleig und Riesle;
die Metzgerei Bächle in der Brunnenstraße,
die Metzgereien Bonath und Distel in der Niederen Straße;
Rohr an der Bleichstraße; die Metzgerei Reichert (heute Staiger)
in der Kirnacher-, die Metzgereien Münzer und Wöhrle in der Rietstraße, die Metzgerei Paul in der Gerber-
und Kersten in der Färberstraße und lange zuvor noch Zuckschwert in der Roderstraße.

„Als ich 1990 als Obermeister angefangen habe, haben wir jährlich noch 150 bis 200 Lehrbuben in der Innung gehabt“, berichtet er von hohen Zeiten, „die in den Metzgereiklassen in Schwenningen und Radolfzell die Berufsschule besuchten.“

Doch die Zahl der Lehrbuben sank seit den 90er Jahren ebenso wie die der Fachverkäuferinnen.
Jahre später musste die Metzger-Fachschule in Radolfzell geschlossen werden, als Riesle  erfolgreich dafür kämpfte, die schulische Ausbildung des Nachwuchses aus der gesamten Region an der Gewerbeschule in Schwenningen zu konzentrieren.
Doch wenn dort die Zahl der Azubis pro Klasse dauerhaft unter 16 sinkt, droht auch dort die Schließung.

Fakt: Wie überall im Handwerk leiden fast alle 178 Gewerke an Nachwuchsmangel: junge Leute streben ins Studium oder in Bürotätigkeiten, immer weniger ins Handwerk.

„Es liegt aber auch an unserem Beruf selbst“, sagt der ehemalige Obermeister Willi Riesle, denn Tiere zu schlachten, sei nun mal nicht jedermanns Sache.

Bei ständig steigenden Hygieneanforderungen sei es weitaus schwieriger und kapitalintensiver als früher, sich als Metzgermeister selbstständig zu machen.

Die Konsequenz ist deutlich. Viele kleine Metzgereien sind  verschwunden, Fleisch- und Wurstproduktion geschieht in industriell geführten Großschlachtereien, den Handel und den Verkauf bestimmen die Supermärkte.

Selbstständigen Familienbetriebe, so Riesle, suchen den Ausgleich im Wachstum mit Filialen. So die Metzgerei Frick aus Krauchenwies bei Sigmaringen: „Es zählt Größe, Größe, Größe.“

Doch auch diese Betriebe brauchen Fachpersonal, weshalb mit gemeinsamen Aktionen reagiert: die Zahl der Auszubildenden in der Schwenninger Schule liegt 24/25 bei 17 Metzger-Auszubildenden und 22 Fachverkäuferinnen.

Für die Zukunft hofft man auf junge Leute aus dem Ausland und eben auf Zuwanderung. Der Landesinnung sei es gelungen, 200 bis 300 Nachwuchskräfte aus Indien zu rekrutieren.
Rund 40 bis 50 davon sollen ab Herbst in der Metzgereifachklasse an der Gewerbeschule Schwenningen ihre Ausbildung aufnehmen. Derartige Nachwuchs-Kooperationen gibt es auch mit Eritrea und Indonesien.

Für Rentner Willi Riesle ist das Kapitel Metzgerei in seinem Haus nach über 90 Jahren indes abgeschlossen. Nachdem sein Mieter, die Metzgerei Haller, im vergangenen Dezember nach 17 Jahren ihre Filiale in der einstigen Riesle-Metzgerei mangels Personal geschlossen hat, will er die leerstehenden Verkaufsräume künftig anderweitig vermieten.

„Es kommt mir keine Metzgerei mehr rein“, sagt er. „Auch nichts anderes mit Lebensmitteln“, fügt er hinzu. Trotz vieler Anfragen – von Pizza bis Döner.
Um alle Vorschriften zu erfüllen, müsste er noch mal bis 50.000 Euro in eine aktuelle Kühltechnik investieren. Das kommt für den 85-Jährigen nicht mehr infrage. „Die weitere Nutzung ist derzeit noch völlig offen“, sagt er.

Geblieben ist ihm aber die Liebe zu seinem Beruf.
„Ich bin bis heute Metzger aus Leidenschaft“, bekennt Riesle. Den Beruf würde er auf jeden Fall wieder ergreifen. Ein gut geführter Familienbetrieb, davon ist er überzeugt, habe auch in heutigen Zeiten noch immer goldenen Boden.

2 Gedanken zu „Metzger in Villingen – von einst bis 2025“

  1. Ja, das stimmt.
    Villingen war voller Metzgereien.
    Das war praktisch für die Bürger.
    Jede Familie hatte sozusagen einen Metzger vor der Haustür,
    je nach Viertel und Wohnstraße.
    Bei uns war es Bär, dann Distel und Bonath
    (Zweiggeschäft Stuttgarter Straße, heute Lahrer Straße).
    Als Kinder bekamen wir immer ein Rädle Gelbwurst.

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    • Ich stutze über „voller“.
      Und „praktisch für die Bürger“…
      Ich denke es gab Zeiten, da gab es für einen Großteil der VLer Bevölkerung
      nur einmal Fleisch die Woche. Und freitags Fisch vom „Doller“.
      Und so war es die Sauberkeit, mit der die Metzgerei ihr Marketing betrieb,
      denn nicht überall wollte jede Hausfrau kaufen.

      Übrigens: Lässt sich „voll“ steigern, wurde MP Kretschmann einst gefragt.
      Ja! Denn gestern war der Bus voll, heutre war er voller.

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