Ösch-Ritt samt Reitwein – fast vergessene Tradition

Religiöse Umritte zwischen Christi-Himmelfahrt und Fronleichnam – Villingens Schneckenwirt war letzter Ösch-Reiter – Käferberg-Kreuz im neuen Licht

Man schrieb das Jahr 1783, als Villingen seine erste vermessene ‚Bannkarte‘ erhielt, deren reale Geografie der gelernte Feldmesser Mathias Votzeler mittels acht motivischer Grenzstein-Symbole  in eine Gemarkungskarte eingezeichnet hatte.

Letzter Villinger Ösch-Reiter um 1800: der Schnecken-Wirt Reichert, der sich für seinen Stammtisch hat malen lassen

Zuvor galten als regionale Hoheitsgebiete zwischen Villingen und Rottweil die bildhaften Darstellungen der Rottweiler und der Villinger Pürsch-Gerichts-Karte von 1564 und 1607, detailliert gemalt vom Rottweiler David Röttlin und dem Villinger Anton Berin.

Die bis dahin bestehenden steinernen  ‚Eckmarken‘ als markante Grenzsteine reichen historisch weit zurück. Sie  trugen jeweils zwei Wappen und eine Jahreszahl; mit dabei der Fürstenberger Adler oder auch das Johanniter-Kreuz.

Für die bäuerlichen Dorfgemeinschaften bestimmten aber nicht nur die datierten Grenzsteine deren öffentliche und privaten Rechte und Pflichten innerhalb der Banngrenzen. Es war auch der sogenannte „Umgang“, die all-fünf-jährliche „Bann-Bereitung“ als ein beständiges Zeichen der ersten räumlichen Besitznahme.  Beritten wurden Wald und Flur und dies drei-tägig mit jeweils „froher Einkehr“.

Denselben Ursprung hatten auch die religiösen „Ösch-Ritte“, bei denen man mit dem kirchlichen Allerheiligsten, der Monstranz, die Fluren umritt und diese segnete.

Eine besondere Rolle spielten dabei auch die Stationen der Feld- und Wege-Kreuze, die jeweils an den beiden Tagen vor Christ-Himmelfahrt und vor dem Fronleichnams-Fest besucht wurden.

Paul Revellio schreibt dazu, dass es wie allen Feiern nicht an den üblichen Weg-„Zehrungen“ für die Teilnehmer fehlte: vom „Reit-Wein“ erhielten der Abt von St. Georgen und die Seinigen acht Maß,  der Pfarrer vier und die Kapläne je zwei, ebenso der Schulmeister, die Musikanten und der Organist. Die übrigen Ösch-Reiter – bis zu 40 an der Zahl – je ein Maß.

Wein und Brot  wurden zuvor aufs Laible und an die Ölmühle geschafft, worauf es wohl nicht mehr ganz manierlich zuging. Mahnte doch der Stadtrat 1613, der Ritt solle mit Zucht und in Ehrbarkeit geschehen, was wohl nicht lange anhielt, denn 1650 stellt Abt Gaißer lakonisch fest: „Man ritt um den Ösch mit geringer Andacht.“

Seit Mitte des 18. Jahrhunderts kam es auch zu Ösch-Prozessionen, doch verschwinden diese gegen 1800 wie auch die zugehörigen Rechnungen, die die Stadtkasse belasteten.

Namentlich bekannt ist der letzte Ösch-Reiter „in bürgerlicher Tracht mit grünem Rock und roter Weste in frischem Galopp“: Schneckenwirt Reichert, so wie er sich auch für den Stammtisch hat malen lassen.

Nach dem „Torstüble“- Umbau als Wohn-und Geschäfthaus steht das Käferberg-Wegekreuz wieder im rechten Licht: 1932 ist es den Familien Hofmann, Wagner und Brachat gewidmet. Ursprünglich stand es am Schellenberg; es wurde 1990 von Hans-Joachim Hall restauriert, wozu Hubert Brachat das Honorar stiftete.

 

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