Romäus – Riese, Rebell und Landsknecht – Seit 500 Jahren legendär:

Bis heute nicht nur in Villingen ein „erzählter“, kein „gelesener“ Held

Villingen Sommer 1520 – Hainrich Gebhart,  Müller zu Niedereschach, schwört Urfehde bei seiner Freilassung aus dem ‚Kefit‘, von denen es eines im Bicken- und eines im Villinger Oberen Tor gab.  Mehrere Tage saß er ein bei Wasser und Brot, nachdem er zuvor wider den Kaiser, den Schultheißen, den Bürgermeister und den Rat der Stadt Schmähreden ausgestoßen hatte.

Gebharts gelobt „Ich schweige beim Kreuz, dass man die Villinger übel fürchten muss, weil sie Leut‘ an die Stadtmuren malen, die einen das Fürchten lehre“. Und es war so.

Sieben Jahre zuvor traf 1513 in der Zähringerstadt die Kunde ein, dass am 6. Juni, am Mentig nach Bonifaz, in der Schlacht von Novara zehn redliche Mannen aus Villingen, darunter Romäus Mans, im tobenden Kampf gegen die Schweizer – Mann gegen Mann – zu Tode kamen.

Wer war dieser Romäus, auf dessen Tod „eine Welle der Bewunderung und der Trauer durch Stadt und Land zog“, als der Rebell, der Aufrührer, ja gar der Held in tosender Schlacht starb?

Einer, den ein Sagenkranz umwob, war er doch ausgestattet mit der Physis eines gar riesenhaften Recken.

Einer, um den sich schon früh zahlreiche Sagen ranken. Grund genug, wenige Jahre nach seinem Tod ein überlebensgroßes Bildnis des Lokalhelden an die äußere Stadtmauer zu malen, um möglichen Feinden und Fremden die Wehrhaftigkeit Villingens und ihrer Bürger darzustellen.

War doch Remigius zu seiner Zeit von herausragender  Körpergröße. Seine Kraft  und sein Kampfesmut machten ihn zum „Riesen Romäus“. Sei er doch so groß gewesen, dass er den Leuten von der Straße aus in die Fenster des zweiten Stocks sehen konnte.

Zyklus „Romäus“ des Villinger Malers Richard Ackermann (1892-1968); Rötel-Steinzeichnung, Titel des Neugart Romans.

Remigius Mans, auch Romäus oder Romeias genannt, dessen Geburtsjahr und Tag unbekannt blieb, war Villinger Bürger, wurde mit der Geburt seines ersten Sohnes schon Witwer, war Wirt im Riet, rodete den Wald beim Breitbrunnen, verdingte sich mehrfach als Landsknecht und gilt seit 500 Jahren als Lokalheld in Villingen, wo man seinen Namen wegen seiner unbändigen Kraft, seiner Tapferkeit  und seines rebellischen Mutes mit dem schönsten der Stadttürme, einem Brunnen, einem Gymnasium, einer Ringstraße und einst auch mit einem Romäus-Bräu würdigte.

Da schriftliche Quellen vor 1540 recht rar sind, geben diese wenig her über den „Villinger Simson“, wie er im Badischen Sagenbuch 1846 genannt wird.

In Urkunden von Kirche und Stadt sowie im Bürgerbuch finden sich dann aber doch neun Einträge zu Remigius Mans und seiner Familie. Seine exakte genealogische Herkunft ist indes nicht geklärt, auch wenn es sich bei ihm, der 1486 als Wirt in Villingen benannt ist, um eine historische Person handelt.

Ratsherr und Zeitgenosse Heinrich Hug berichtet über den Lokalhelden, wobei auch bei ihm Wahrheit und Legende schwer zu trennen sind.

 

Eine Postkarte zeigt das Portrait am „Romäusturm“ vor 1900: der  Stadtheld als Landsknecht mit dem Rottweiler Stadttor.

Beliebteste Legende, auch nach Hugs Tagebuch:

Remigius wurde am 8. Dezember 1497 bei Wasser und Brot gefangen gesetzt und in den Michaelsturm, heute Romäusturm, gesperrt. Hatte er doch den Schultheißen und den Magistrat beleidigt. Einzelne Bürger, die ihm wohlgesonnen waren, hätten ihn aber einmal die Woche mit viel Fleisch versorgen dürfen, wobei ihm wohl auch ein Messer überlassen wurde. Als Romäus genug Knochen beisammen hatte, steckte er diese in die Mauerritzen und benutzte sie als Steighilfen.So konnte er ins obere Stockwerk gelangen, seilte sich ab und bat bei der Johanniter-Kommende um Asyl. Romäus verlangte später Revision des Verfahrens, die Stadt hob ihr Urteil und Remigius Mans wurde wieder ein freier Mann und erhielt gar eine Abfindung.

Das alles sorgte für großes Aufsehen und viel Fantasie.

So auch die Fehde mit der Stadt Rottweil:

Des Abends soll sich Romäus mit ein paar Gesellen dorthin geschlichen haben, noch war das innere Tor offen und die Torwachen vom martialisch auftretenden Romäus schnell überwältigt, worauf er einen Flügel des schweren Stadttores aushob und er es bis nahe an seinen Heimatort trug. Ein Blick zurück auf mögliche Verfolger und der Guggebühl hatte seinen Namen.

Werner Huger schrieb 1997/98:

„Romäus ist als spät-mittelalterlicher Lokalheld keineswegs eine mythologische Figur, die sich im Dunkel der Jahrhunderte verliert. Er lebt als Bürger unter Bürgern, ist einer der ihren, wird in seiner Sozialisation auffällig, schafft Erstaunen, wird bewundert und erregt auch Furcht.

Er gilt als verwegen und trotzt öfters der städtischen Obrigkeit. In der sozialen Hierarchie gehört er zur bürgerlichen Mittelschicht zwischen Handwerkern und ihren Zünften.“

Er kokettiert wohl auch als Kraftprotz, ist schelmisch und oft in Opposition zur Obrigkeit. So wird er auch zum Sympathieträger und gerät als reale Person in das verklärte Licht der Legende.

So gilt er bis heute als der „ewige Romäus“ mit einer Aura, aus der er seine reale Dimension verliert und er zur Figur wird. Seine körperlichen Merkmale gelten als Eigenschaften, die ihn doch zum Mythos machen.

Schwer also zu ergründen, wie aus einem Mann im Übergang vom 15. ins 16. Jahrthundert ein wahrlich sagenhafter Kerl wird; eine erzählte und laufend überlieferte Gestalt aus Fleisch und Blut, eine Person,  die im Verborgenen bleibt. Ein Stoff, aus dem sich Legenden bilden.“

Mit viel Pathos und einem lesenswerten Erzählstil hat sich 1970 der Hobby-Historiker Hermann Alexander Neugart (1893 – 1974) mit seinem Historienroman „Der unsterbliche Rebell“ des Lebens und des Sterbens vom Romäus angenommen.

Neugart schreibt:

„…die Weberfamilie der Mansens war keine von denen, die immer den Mund hielten und die Faust im Sack machte. Auch beim jungen Romäus war dies ausgeprägt, als er ihnen üb er den Kopf wuchs. War er sich doch seiner übermächtigen Körpergröße, seiner physischen Überlegenheit durchaus bewusst. Auch dessen, dass er Aufsehen erregte, ja wegen seiner Erscheinung unverhohlen bewundert wurde, wenn er im geschlitzten Wams durch die Gassen schlenderte und die bunte Pfauenfeder auf seinem Hut bis an die wunderfitzigen Nasen im zweiten Stock strich“.

Linolschnitt in Schwarz-Weiß: Uschi Binder, feat. popart by wob.

 ***

Im Sommer 1513 stand Frankreichs Ludwig XII. gegen Herzog Sforza vor Mailand… und auch deutsche Landsknechte dienten im französischen Herr… und nicht ungern gegen die Schweizer.

Im Morgengrauen des Freitag vor Bonifazius griffen die  Schweizer an wie die Teufel… wobei die deutschen Landsknechte zwischen die Front gerieten…

Romäus, der riesige Kerl, der schon vor Zeiten bei persönlicher Bekanntschaft  zum Büchsenmeister von Kaiser Maximilian ernannt  worden war, trieb seine Knechte an…mit grimmiger Wut richtete er sein Geschütz gegen die Angreifer… bald war man ineinander verbissen…inmitten der tobenden Schlacht stand der riesige Alte, als er sein Geschütz nicht mehr richten konnte…so schwang er sein eisernes Richtzeug, dass die Spieße krachend splitterten, bis dass Nachdrängende erschrocken wichen…

Romäus war kein Mensch mehr, ein reißendes,  zähnefletschendes Urtier, das sich seines Lebens wehrte… bis ihn die bleierne Kugel traf und er noch im Niedergehen die Picke abwehrte, die ihm einer in den Leib rennen wollte…

Jahrzehnte später zeigt die Rottweiler Pirschgerichtskarte des David Röttlin von 1564 die Stadt Villingen und ihren Romäus überlebensgroß als Riese. Mit gespreizten Beinen steht er im Wams des Landsknechts da, mit breitem Federhut  die Hellebarde geschultert. 

Die Rottweiler Pürschgerichtskarte des David Röttlin von 1564 zeigt das Romäusbild auf der äußeren Ringmauer am Oberen Tor.Dies verrät auch für den bis heute größten aller Tortürme die stete Absicht zu imponieren und signalisierte all denen die wehrhafte Kraft der Stadt, die sich ihr näherten.

So bestimmten  Glaube und Aberglaube auch nach Romäus‘ Tod 1513 das magische Kraftfeld eines Beschützers der Stadt.

Romäus‘ Leben blieb über  Jahrhunderte abenteuerlich in den Erzählungen der Villinger und dies in ungesicherter Tradition und als mündliche Überlieferung.

Wie das Volk stets charakteristische Begebenheiten erfand, benennt noch im 19. Jahrhundert Villingens Chronist Johann Nepomuk Schleicher.

Er schreibt:

„Die weiteren Gerüchte über Romeius, die den Touristen noch zum Nachtisch vorgesetzt werden, sind beseitigt“.

Damit bleibt Romäus bis heute ein „erzählter“ und kein „gelesener“ Held.

 

Bild noch offen

Das zweite, moderne Romäus-Gemälde als Wandmalerei am Turm wurde 1981 im historistischen Stil von Manfred Hettich geschaffen.

 

 

 

 

 

 

2 Gedanken zu „Romäus – Riese, Rebell und Landsknecht – Seit 500 Jahren legendär:“

  1. Die Romäussage ist eine jener Legenden,
    in denen der sakrale Kult des Mittelalters verballhornt wird.

    Damals wurde eine Stadt noch als sakrale Landschaft betrachtet
    und verständlicherweise als Abbild des himmlischen Jerusalem konzipiert.

    Diese Vorlage bot der kosmische Hirte, der heute noch als Bärenhüter
    bekannt ist.
    Mit vier Postionen lässt sich mit ihm der Stadtplan Villingens beschreiben
    und in einer wird auch der Romäus, oder Michaelsturm markiert.

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    • Nun ja, Herr Gunst,da lese ich seit Jahr und Tag,
      wie sich die Histrorie um unseren Lokalhelden wohl dargestellt hat,
      und nun kommen Sie mit dem kosmischen Hirten und einem Bärenhüter,
      was sich in vier Positionen beschrteiben lasse…

      Das müssen Sie den Villingern aber schon noch näher erklären.

      Gruß wob.

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