Kino, Kabarett, Jazz und Gospel: „Eine Stadt ohne Theater ist ein Dorf!“ – Operette mit Kurt Häringer – Filmbälle mit M.-P. Bachmann
„Ben Hur“ oder „Andorra“, „Von Mäusen und Menschen“ oder „James Bond“, Ingrid Steeger, Georg Ringswandl oder Helmut Karasek, Kabarett oder Jazz, Gospel oder Tango Argentino – im Theater am Ring war alles los. Alles!
Für den aktuellen Hausherrn und Kulturchef Andreas Dobmeier ist die Bühne somit auch das „Fenster zur Welt“, wie er zum 80-jährigen Jahrtag des Theater am Ring feststellt, das am 19. Oktober 1940 eröffnet wurde.
Ein Neubau sollte es werden, der 16000 Einwohnern und 2000 Mann Militär in der Mehrfach-Nutzung zunächst für Kino dienen sollte. So war es jedenfalls bereits 1937 angedacht worden, als der Kinobettreiber Robert König ein solches Haus direkt am Riettor auf dem sogenannten „Paradiesplatz“ (??) bauen wollte.
Doch die Stadt zögerte bei solch einem exponierten Bauplatz, tauschte mit König das Grundstück gegen das Flurstück, wo das Theater heute steht, und ließ auch noch zwei Häuser abreißen.
Trotz Kriegsbeginn bei erschwerter Beschaffung von Rohstoffen gelang es den Architekten , den Rohbau, die Bühne, den Orchestergraben und die Innenausstattung abzuwickeln:
824 Plätze, Foyer mit Bar und zwei Kronleuchtern, Marmortische und bequeme Sessel
und über dem Eingang in Leuchtschrift ‚Theater am Ring‘.
Über die Zeitenfolge sind noch viele Namen zu nennen: Max-Pierre Bachmann mit seinen sechs extravaganten Filmbällen, Fritz Ewald, der ab 1977 mit „VS swingt“ den Welt-Jazz in Villingen etablierte, oder Fanny Reinacher, die Ende der 60er Jahre im Obergeschoss das Café Reinacher führte. Stammkneipe auch Schüler und sonstiges Jungvolk, die es dort oft auch krachen ließen.
In der aktuellen Theaterzeitung zum Jubiläum leider vergessen jene Villinger Mimen in ihrer Profession als Schauspieler und Sänger, die nach 1945 zu den Gründern des ersten „Villinger Theater“ der Neuzeit zählen.
Mit dabei die damalige Intendantin Ilse Becker, die als „Protegée“ des französischen Gouvernements galt und an ihrer Seite und im ersten Ensemble des Stadttheaters auch das Pärchen Margarethe Stassen und den Villinger Kurt Häringer hatte.
Heiner Flaig schreibt dazu in Band 4 der Schriftenreihe der Stadt VS „Villingen im Zeitgeschehen“:
„Gewiss, die Aufführungen gerieten selten über das Provinzielle hinaus, was tat’s… Man schwelgte in der Traumwelt von Glitzer und Glanz.“
So spielte man eben auch die Operette „Schwarzwaldmädel“ von Neidhart/Jessel, wobei Villingens einst bekanntester Dekorateur Alfred Fahrbach, Chef aller Schaufenster und der Deko beim Kaufhaus Raff das Bühnenbild gestaltete.
„Was für ein Theater!“ titelt Andreas Dobmeier auf der letzten der 16 Seiten der Theaterzeitung, und wundert sich, dass ausgerechnet zum runden Geburtstag des Hauses TaR der Gemeinderat über dessen Schließung beraten will.
Nicht wegen Corona, sondern (nur) wegen der angespannten Haushaltslage. Und Anna Maude vom Marketing des TaR ergänzt mit Nummer 12 ihrer abschließenden Gedanken zum Wert eines Theaters:
„Eine Stadt ohne Theater ist ein Dorf!“
Erinnerung an Schulzeiten
Klassenweise wurden wir ins Theater am Ring verfrachtet.
Der jeweilige Klassensprecher wurde beauftragt,
Eintrittskarten im Kulturamt zu holen.
FAUST, o.ae.