Die Würfel sind längst gefallen: das historische „Torstüble“ am Riettor gibt es nicht mehr.
Nach einem chinesischen Wirt, nach Jahren mit einem Griechen, nach einem Musiker-Wirt, einem studierten Posaunisten, einem Schwaben und auch zwei Italienern wird im „Torstüble“ nie mehr gewirtet.
Das einstige Cafe und Restaurant, dessen Namen nahezu jeder Villinger kennt oder eben kannte, stellt nun „nur noch“ ein Stück Villinger Geschichte dar, denn das Gasthaus zählte zu den ältesten am einst badischen Ort.
Dass es nach wie vor einen exponierten Platz am Riettor hatte, lockte zwar zahlreiche Pächter, von denen jedoch die meisten ebenso schnell gingen wie sie kamen. Das Torstüble samt Lounge im dortigen Gewölbekeller brachte den Pächtern meist und leider nur wenig Fortune – auch nicht zuletzt mit mediterraner Küche im „Ristorante Rossini“.
Und so wurde die Immobilie ‚Torstüble‘ mit drei Wohnungen über Jahrzehnte von Heide Wagner (Jhg. 48/49) und ihren Geschwistern verwaltet und war stets eng auch mit der Familiengeschichte der Vorfahren der Hofmanns verbunden.
Im Jahre 1926 kauften Robert und Theresia Hofmann das Torstüble als es noch „Thorbrauerei“ hieß und schon ein Brauerei-Ausschank das Haus begünstigte. Die damals desolate Immobilie wurde in den vergangenen 90 Jahren mehrfach baulich verändert, was der Familie über die Jahrzehnte immer mehr Wohnfläche bot.
Nun ist das „Torstüble“ generalsaniert, um-und ausgebaut von Egon Mauch und seinen Bauträger-Teams, und das populäre „Keferbergle“ hat einen neuen, einen zeitgemäßen Reiz erfahren: Wohnen in der Innenstadt, gleich dort, wo einst die „Käferburg“ gestanden haben soll…
Alte Ansichten des Riettores zeigen, dass die westliche Zufahrt zur Stadt bis 1930 weder südlich noch nördlich einen Durchgang hatte, der vom Bürgerausschuss erst am am 6. Mai in jenem Jahr als „Riettor-Durchbruch“ an der nördlichen Seite beschlossen wurde.
Der Name „Torstüble“ geht auf die Idee von Heidemarie Wagners Großeltern zurück, als man „gute Hausmannskost“ aus der Küche der Großmutter auftischte und der Großvater an der Theke wirtete.
Nach 1945 hat der Sohn Robert II. mitgewirkt, der ab 1955 das Torstüble führte und der als Konditormeister aus der Gaststätte ein Café machte. Seine Spezialität waren Pralinen und Ostereier mit Nougat und Mandelsplittern. Ab 1970 wurde das Torstüble für 10 Jahre an den Konditor Holzkamp verpachtet, bis Heidemarie Wagner mit ihrem Bruder im Jahr 1980 die Nachfolge antraten. Es wurde saniert und umgebaut. Man legte altes Baumaterial frei und das Lokal erhielt ein besonderes Ambiente.
Der Bruder Robert III. als Koch und die Schwester als Hotelfachfrau führten weitere zehn Jahre den Gastronomiebetrieb, bis es den Küchenmeister 1990 reizte, nach Zypern auszuwandern und dort Skipper zu werden. Da man am Familienerbe hing und man für den Bestand immer auch ‚Herzblut‘ opferte, blieb ein Verkauf des „Torstüble“ bislang aus.
Wer sich dem „Torstüble“ historisch widmet, wo einst ungezählten Fasnet-Hausbällen stattfanden, wo die Gründungs-Versammlungen des FC 1908 und der Villinger Sackkapelle stattfand, wo sich die närrischen „Ratsherren“ die Lokalität als Fastnachtslokal der Historischen Narrozunft aussuchten, dem mussten spätestens beim zweiten Besuch eine Besonderheit am historischen Ambiente auffallen:
nämlich die Fenster gen Westen und zur Innenstadt.
Belebt wurde die einstige „Thorbrauerei“ nämlich auch optisch.
Wie sich der Hofmann-Enkel Robert III. bereits 1997 erinnerte, stammen die bunten, bleiverglasten Fenster aus der Zeit um 1945, als Robert II. zum zweiten mal das „Torstüble“ aufleben ließ.
Von unschätzbarem Wert sind nämlich die etwa 30 Zentimeter großen Motive, die Figuren aus dem vorigen Jahrhundert zeigen: Edle Bürgersleute, Uniformierte und Figuren der ursprünglichen Villinger Fasnet.
Das Buntglas hierfür, so die familiäre Erinnerung noch um 1990, wurde eingeschmolzen aus Wein-, Bier- und wohl auch aus Schnapsflaschen, die im Torstüble und eben im Restaurant leer wurden.
Fenster-Bilder als Klein-Odien, die im Ergebnis aus einem besonderen Recycling stammen und die bis in unsere Zeit erhalten blieben.
Daneben reizte den Betrachter viele Jahre auch ein groß dimensioniertes Historienbild der Belagerung des Villinger Ratzennestes von 1634 durch die Württemberger.
Im Privatbereich verschwunden ist auch die Skulptur des Villinger Lokalhelden Romeias Mans mit Dolch und Helebarde auf seinem Wandsockel, einer frühen Arbeit des Holzbildhauers Kleiser aus Urach.
Doch auch der „lokal hero“, der Villinger Lokalheld Romäus, konnte nicht verhindern, dass sich nun nie mehr Gäste gut kleiden oder kostümieren, sich gut oder auch beschwipst und angesäuselt benehmen und auch kein Wirt mehr das Torstüble zum früheren Glanz führen kann.
Da hat der Hans recht!
Sowas gefällt, auch wenn der letzte
Herr der Käferburg nicht bekannt wird…oder?
Klasse Schilderung zur Geschichte des einstigen Traditionshauses
mit exzellenten Fotos der Fensterbilder.
Das gefällt nicht nur dem Villinger.