Theologe zwischen Reisen, Zölibat, Liebe und Puppenspiel
Was passt zu einem Zauberer besser als ein mystischer Blauer Stein und die Egal-Zahl 88? Wohl nur noch eine magische Sieben oder die verflixte 13! In 2021 sei deshalb an die 88. Wiederkehr des Geburtsjahres von „Trixini“ erinnert.
Jener gebürtige Villinger Hansjörg Kindler, der Zeit seines Lebens bis 2015 in der Vielfalt seiner Erfahrenshorizonte niemals nur kurz zu beschreiben war.
Sein Leben vielseitig, seine Reisen weltweit, seine Begabung herausragend, seine religiösen Zweifel samt Zölibat anstrengend, seine Haltung gläubig. Studierter Theologe und katholischer Priester, Esperantist, Buchautor, Tagebuchschreiber, Lyriker, Satiriker, Zauberkünstler, Puppenspieler und auch Botschafter seines Geburtsortes und seiner späteren Wahlheimat Allgäu.
Geboren wurde Hansjörg Kindler im September 1933 in Villingen als Sohn des Ehepaars Kindler-Sterk, wo er mit seiner jüngeren Schwester Christine aufwuchs.
Die Mutter führte ein kleines Mode- und Wäsche-Fachgeschäft in der Paradiesgasse und der Vater bewies seine Talente als Fotograf und freier Journalist, als begabter Dekorateur und Amateurfilmer.
Ein Zauberkasten unter Christbaum markierte einst seine spätere Leidenschaft, die er bereits im Alter von elf Jahren den damaligen Erstklässlern seiner Klassenlehrerin vorführen durfte.
Fünf Jahre der schulischen Oberstufe verbrachte er im Internat der Schlossschule Salem. Dort betonte er erneut seine Passion fürs Puppenspiel und für die Zauberei. In der Gunst des Schulleiters, wahrlich „Seiner Königlichen Hoheit, Dr. Georg-Wilhelm Prinz von Hannover“, durfte Hansjörg mehrfach beim Salemer Schulfest auftreten. Als „Valcampo Troxi“ schluckte er Rasierklingen, die er am Faden wieder aus dem Schlund zog, und er hypnotisierte seinen Chemielehrer.
Nach dem Abitur tourte er ein Jahr mit dem Hohnsteiner Puppentheater von Friedrich Arndt und erlernte dabei die Techniken des Spiels mit Handpuppen.
Im ersten Studien-Semester bei Tante Paula in Fürth und während weiterer Semester in Erlangen war aus dem zunächst noch jungen „Troxi“ grad mal nur „Trixi“ geworden, doch als Mitglied im Magischen Zirkel Deutschlands war dieser Name zu banal.
Hansjörg entdeckte in der Auslage eines Friseurs einen blauen Ring, den er für 75 Pfennig erwarb:
„Trixini, der Magier mit dem Blauen Stein“
war geboren.
Während der Studienzeit zog es ihn immer wieder nach Villingen, von wo aus er auch in Bad Dürrheims Park-Hotel „Kreuz“ als Magier mit dem Blauen Stein auftrat und ihm seine Schwester als „Bellinda“ assistierte.
Ein Name, der wohl einer Strumpfmarke im elterlichen Geschäft entlehnt war, was natürlich auch Familie und Freunde und seine Schulkameraden des Jahrgangs 1933 erheiterte.
Nach dem Studium der Theologie der Philosophie und der Germanistik wurde er 1962 zum Priester der römisch-katholischen geweiht, er war 17 Jahre Priester auch in Bad Säckingen und als Europa-Pfarrer in Luxemburg. An allen Orten verzauberte er als „Trixini“ die Zuschauer mit seinen magischen Künsten.
Seine Passion für die Kunstsprache Esperanto hatte ihm Anfang der 80er-Jahre auf einer Tournee durch Asien so manche Tür geöffnet, was er als Brücke zwischen den Völkern ansah und er in diesem Genre Gedichte in Esperanto übersetzte und veröffentlichte. So trat Trixini in 50 Ländern und auch auf Kreuzfahrtschiffen auf.
Trixini wurde auch ein guter Erzähler, dessen Leben alles andere als in alltäglichen Bahnen verlief. Später konvertierte – wohl auch aus Zweifeln an der Unfehlbarkeit in der Kurie – zur Alt-Katholischen Kirche.
Schließlich war es die Liebe zu einer Frau und die Geburt einer Tochter, die ihn weg geführt hatte vom Zölibat und ihn zurück zum Puppenspiel brachte. Für den Lebensunterhalt gründete er in Paderborn ein eigenes Theater.
Danach ließ er sich in Rieden am Forggensee nieder und zog mit seiner Zauberwerkstatt in der „Alten Käsküche“ die Zuschauer in seinen Bann.
Was von ihm bleibt, sind Erinnerungen an Begegnungen und seine unzähligen Veröffentlichungen. Ob autobiografische Werke wie „Der Magier mit dem blauen Stein“, „Die ökumenischen Hunde“ oder „Der Zopf des Fräulein Li“, heitere Geschichten mit biblischen Hintergründen oder Gedichte auf Villingerisch, die seine Liebe zu seiner Heimatstadt widerspiegeln, alles zeugt von seinem bewegten Leben.
Den schriftlichen Nachlass und Dokumente aus der Familiengeschichte hat Kindler dem Stadtarchiv in Villingen überlassen. Seine Zauberutensilien blieben im Magicum-Museum in Berlin erhalten.
Froh über sein Lebenswerk verfasste er kurz vor seinem Tod ein humoriges Gedicht: „Magicum Berlin“ – „So kann ich beruhigt ins Zauberland auswandern, Lachen und Staunen überlasse ich nun anderen, Schaue mit Vergnügen von oben herunter, die Welt ist nun ewig für mich“. Als überzeugter Christ war er sich immer sicher, dass es ein Wiedersehen gibt.
Im August 2015 verstarb Trixini in einem Hospiz in Kempten, wo ihn in seinen letzten Tagen eine Nachbarin der Künste begleitete. Trixini wurde 81 Jahre alt.