Verschwörung 1895 ? – Wie starb Oberförster Hubert Ganter ?

Früher Tod des streitbaren Försters – Historisch ungeklärt…?

Nach dem historisch bislang populärsten Forstmann der einst badischen  Stadt Villingen, Hubert Ganter, geboren am 12. 8. 1848 Rippoldsau und verstorben am 21. 6. 1895 in Villingen,  wurde ihm seiner Verdienste wegen nicht nur eine Straße gewidmet, auch ein „Ganter-Stein“ steht am Zusammenfluss von Brigach und Kirnach  am Beginn des „Römer-Wegs“. Einst 1896 aufgestellt vom Villinger Verschönerungs-Verein. Und auf dem städtischen Friedhof wird auf einstigen Beschluss  des Gemeinderats sein Ehrengrab erhalten und gepflegt, nicht weit vom ältesten Gebäude, der Friedhofskirche, an der oberen Friedhofsmauer.

Osianders Widersacher‘ im Kampf um städtische Mittel, den Forst, den Holzhandel, die Waldwege und den Tourismus: Hubert Ganter (1848-1895)…

Was aber ist noch geblieben vom einst bedeutenden Dienstvorstand des städtischen Forstamts (1876-1895) ? Einem Forstmann, der im Forstbetrieb seiner Zeit weit voraus war und der „die Wohlfahrtswirkungen des Waldes für Villingen und seine Einwohner erkannte und verwirklichte, so der spätere Ober-Forstdirektor  Dr. Ulrich Rodenwaldt.

Forstpraktikant. Im Jahr 1872, als nach 43 Dienstjahren (seit 1829) Bezirksförster Hubbauer als erster Dienstvorstand des städtischen Forstamts in Pension ging, schlug die staatliche Forstverwaltung vor, Villingen möge auf sein bisheriges Forstamt verzichten und den Stadtwald einem staatlichen Forstamt übertragen. Doch dazu war die Stadtverwaltung nicht bereit, weshalb man sich auf ein Interim einließ:  Dienstvertretung durch einen staatlichen Forst-Praktikanten, einen Forstassessor, der nach ein, zwei Jahren ein staatliches Forstamt übernehmen könne. So kam 1876 der Forstpraktikant Hubert Ganter auf eigenen Wunsch und Bewerbung nach Villingen.

Jäger und Förster. Ganter war familiär geprägt vom Forst: der Vater F. F. Forstverwalter in Rippoldsau, der Großvater F. F. Jäger im Unterhölzer Wald, der Urgroßvater wohl Jäger und Förster in Pfohren. Ganters Sohn war Forstrat in Ottenhöfen geworden und ein Enkel sei zum Forstdirektor in Hausach avanciert.

Ganter selbst war zunächst Gymnasiast in Donaueschingen und Offenburg, und studierte danach Forstwissenschaft in Karlsruhe, von wo er auch waldbauliche Ideen des Vaters verstärkte.

Im Jahr 1880 bot sich Ganter die gedachte staatliche Bezirks-Forstei an, was der hiesige Gemeinderat aber grad nicht wollte, viel eher für Ganter als Leiter des städtischen Forstamts plädierte.

Doch dagegen gab es begründete Stimmen: Ganter gelte zwar bislang als zielstrebig, sei aber auch als eigenwillig aufgefallen und verursache ständig hohe Ausgaben.

Waldmeister. Doch er bekam das Amt und forderte gleich klare Verhältnisse, die seine  Position festigen sollten. Er wolle nicht – wie schon Jahrzehnte praktiziert – ein vom Gemeinderat aus dessen Mitte gewählter Waldmeister und Holzhändler sein, der den Forstbetrieb kontrolliere. Nein, er wolle „frei schaffen und die volle Verantwortung übernehmen“: also freier uneingeschränkte Holzverkauf ohne Holz-und Finanz-Kontrolleur. Der Gemeinderat akzeptierte und Ganter wurde städtischer Oberförster und „Waldmeister“.

Ganter zögerte nicht lange, handelte klar, mit Ziel und Tatkraft, entpuppte sich aber auch als rücksichtslos gegenüber Vorgesetzten, forstlichen Dienststellen, Bürgermeister oder Gemeinderat.

Er handelte ungestüm, um schnell etwas zu schaffen, und war bedenkenlos bei seinem Budget an Haushaltsmitteln. Schriftliche Verweise nahm er ebenso „z. d. A.“ wie vielfältige Kritik oder wenn städtische Vorgesetzte ihn verwarnten. So krachte es laufend und man musste ihn als sehr unbequem wahrnehmen.

Osiander war Bürgermeister und Feuerwehr-Kommandant

Kein Kahlschlag. Lob gab es jedoch wegen herausragender forstlicher waldbauliche Tätigkeit, denn Ganter hatte eine staatliche Waldverjüngungs-Vorschrift mit Kahlschlag für den Villinger Stadtwald abgelehnt. Er verfasste und begründete eine überzeugende Denkschrift zu nachhaltig „löcherweisen Hieben“. Das galt als eigenmächtig und gefiel der  Großherzoglichen Inspektion nicht: „Wir verkennen nicht den guten Willen des Oberförsters, […] setzen auch in seinen Fleiß nicht in Zweifel, ein richtiges Urteil aber müssen wir ihm absprechen“ weshalb man einem Versuchsfeld im wertvollen Waldbesitz durch “forstliche Anfänger“ nicht zustimme. Ganter nahm auch diesen Verweis „zu den Akten“, verfolgte seine „Hiebsführung“  unbeirrt weiter. Damit bewies er auch den Fachvorgesetzten und Fachkollegen, die mögliche Naturverjüngung und das Überleben der Tanne „in angemessener Weise und beigemischt in den von ihm begründeten Beständen“, so Rodenwaldt an benannter Stelle zu Ganters Vita

Doch Ganter musste ab 1887 seine Methode ändern, denn ein Nachteil trat erst verspätet ein: der Windwurf, der bei Sturm in den Löcher-Hieben schädigte, weshalb man später nach neuer und erfolgreicher Fichten-Tannen-Kiefern-Verjüngung suchte.

Den Wald durch „ein sinnvolles Wegenetz für den Wandel von der Brennholz- zur Nutzholzwirtschaft zu erschließen“ war weiteres Verdienst von Ganter (nach Rodenwaldt).

Doch die bisher eher arme Ackerbürger-Stadt litt nicht nur an zu wenig Geld, sondern auch an der Tatsache, dass viele Bürger auswanderten. Und Ganter zeigte sich trotzdem resistent. Ständig kam es wohl zu heftiger gegenseitiger Kritik und Vorwürfen.

Eigenmächtig. Auch wenn der Rat nicht böswillig war, liest man für 1884: „Der Gemeinderat missbilligt, dass statt einer Notbrücke für  400 Mark eine für 2000 Mark erstellt und der Gemeinderat getäuscht wurde.“ Ein weiteres Mal, dass Ganters Antrag erst eintraf, als die Arbeit erledigt und zu zahlen waren. Doch für eigenmächtig begonnene Arbeiten wollte die Stadtkasse mehrfach nicht zahlen, weil man Ganter in der eigenen  Verantwortung sah und man deshalb besser daran täte „die Waldmeisterstelle von der des städtischen Försters trenne“. Ganter möge den Empfang der Dienstanweisung bestätigen, doch der machte unbeirrt weiter: tatkräftig, überzeugend und eben unnachgiebig in seiner Person. Egal, ob es um Geld ging, das ihm fehlte.

Feature-Bild von Ralf Ganter ca. 1990. Er hatte mit seinen Helfern den Turm illuminiert

Thurmbau-Genossen. Ganter forderte aber auch die Bürgerschaft, als Ganter zum Nestor der „Thurmbau-Genossenschaft“ wurde, die nichts anderes vorhatte, als auf der Wannenhöhe einen Aussichtsturm zu bauen. Er rekrutierte 30 Bürger und die Stadtgemeinde als weiteren Genossen für seine Idee, die Stadt durch Wege, Hütten und Pflanzungen zu verschönen und durch einen 30-Meter-Turm aus Eisen zu krönen. Glockengießer Grüninger sollte diesen nach einem ersten Antrag an den „löblichen Gemeinderat“ vom 27. April 1887 erschaffen.

Ganter war auch die treibende Kraft beim Verschönerungsverein, der sich schon zuvor bemühte, die Stadt „in wohltuender Weise mit dem Wald zu verbinden – mit bequemen und schattigen Wegen und Pflanzungen“ (aus „1988 – 100 Jahre Aussichtsturm “ von W. B.). Der Verein wurde zu seiner „Schutztruppe“, die ihn öffentlich stärkte, seine Arbeit propagierte und unterstützte. Villingen sollte sich zu einem Höhenluftkurort entwickeln, zumal der große und nahe Wald beste Voraussetzungen  bot.

Sechs Mark Dividende. Die Attraktion dabei: der 30 Meter hohe Aussichtsturm, finanziert aus dem Eigenkapital von 200 Mark je Genosse. Ein ständiges Eintritts-Geld sollte die Rendite bringen, wozu es nach dem Bau des Turmes – mit feierlichem Pomp im August 1888 eröffnet – tatsächlich im Jahr darauf auch kam: drei Prozent pro Anteil machte sechs Mark.

Doch hatte man sich in den weiteren Erwartungen verschätzt. Deshalb kaprizierte sich auch Schriftführer Heinrich Dold mit einer Forderung nach  einem großformatigen Plakat. Das Sujet: „die fremdenverkehrliche Attraktion Villingen“; zu drucken bei Orell & Füssli in Zürich mit 3000 Stück zu je 60 Pfennig. Das geschah, doch mangels ausreichender Tilgung des Sparkassenkredits war die bedrohliche Pleite schon absehbar. Ein letztes Mal unterschrieb Ganter am 6. Juli 1892 ein Schriftstück, in dem bereits „von größter finanzieller Noth“ die Rede war.

Feinde und Gegner. Ganter war wohl mit seiner forstlich und wirtschaftlichen Arbeit ans Ende seiner Kräfte graten¸ war doch auch Bürgermeister Heinrich Osiander, gleichzeitig Feuerwehr-Kommandant, sein langjähriger Widersacher.

Ganter hatte sich aufgezehrt, war verbraucht, wohl seiner herausfordernden und rebellischen Art erlegen und litt wohl schon länger psychisch wie physisch.

Hatten sich seine  Gegner gegen ihn verschworen? War er doch weiteren Gemeinderäten zum politischen  Feind und finanziellen Provokateur geworden? Wurde er gar nicht-öffentlich zum Rücktritt aufgefordert, was seine Gesundheit noch stärker angriff und ihn einem Schlaganfall oder Herzinfarkt näher brachte? Oder hatte er sich in einer akuten Verzweiflung gar suizidal verhalten und die Todesursache war nicht der Schlaganfall? An einem solchen sei er verstorben – mit nur 47 Jahren am 21. Juni 1895, nach „langem, hoffnungslosen Leiden“, wobei es bis heute immer mal wieder aufkeimt, dass es anders und eben zweifelhaft gewesen sei.

Tröstende Worte. Bürgermeister Osiander hielt als sein langjähriger Gegner nicht nur die Trauerrede im Juni 1895 „ausführlich und sicher tief empfunden“, er fand auch ein Jahr später „in den Spätnachmittagsstunden an Peter und Paul in der feierlichen Ruhe des Waldes“ anerkennende Worte zu Ganters  Leistungen und für die so oft als provokant geltenden Wegebauten. Osiander schloss mit den Worten: „Er starb zu früh, um alle noch vorgefassten Pläne zu erfüllen, zu früh, um ein eines Kurhauses zu erleben, zu früh für Villingen!“

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Ganters Witwe Julie starb nur 104 Tage nach dem 25. Juni 1985 mit grad mal 42 Jahren.

Wohl wegen des übergroßen Herzschmerzes über den verlorenen Partner.

 

 

Bildunterschriften

Ganters ‚Ehrengrab‘ auf dem Friedhof Villingen an der Nord-Ost-Mauer: übrig blieb ein Sockel ohne Kreuz.

Schätzte um 1905 Villingens Wald, die gute Luft, die Ruhe und Ganters Waldwege: der Großherzog von Baden.

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