Von Gemeindeamt, den Wirtschaften, Handel und Gewerbe im Jahre 1869
Geschriebene und überlieferte Stadtgeschichte ist jenen wenigen Bürgern zuzurechnen, die mühevoll unzählige Stunden damit verbrachten, aus einer Fülle an Veröffentlichungen Ereignisse und Personen zu beschreiben, wie diese in der Zeitfolge gelebt und gewirkt haben. Im Jahre 1940 veröffentlichte der Textilkaufmann Josef Honold (1888-1967) ein Manuskript zum „umgelegten Selbstkostenpreis von 3 Mark 50“, in dem er die Zeitenfolge ab 1868 als „Heimatgeschichte“ erfasste.
Und so war vor 150 Jahren ein Geschehen „gemeindeamtlich“ besonders wichtig, wozu der Bürgerausschuss gleich dreimal zusammenkam: der Ankauf der ehemaligen Kirche der Dominikanerinnen an der Bärengasse, die in jener Zeit als Scheuer genutzt wurde. Es galt, die Mädchenschule zu erweitern.
Diese Bürgerschule unter der Leitung des Theologen Murat sollte dann auch mit einem „Unter-Gymnasium“ re-organisiert werden.
Doch wetterte es zunächst „boshafte Aussagen“, dass wohl dadurch auch das Schulgeld erhöht werde, obwohl ein solcher Schulzweig erwünscht war.
Doch Bürgermeister Julius Schupp, der ein Jahr zuvor als Nachfolger von Rechtsanwalt Wittum gewählt wurde, erklärte, dass es beim Schuldgeld von 4 Gulden jährlich bleibe.
Ebenfalls heftig strittig war in jedem Jahr die Bewirtschaftung der sogenannten Allmend; den Grünflächen außerhalb der Stadt, die der Versorgung durch Viehwirtschaft und Anbau dienten. Ziemlich unversöhnlich standen sich dabei zwei Gesellschaften gegenüber: die der „Beurbarung“, 1864 von Posthalter Dold geründet, und die der „Allmend-Teilung“, der die meisten Landwirte angehörten.
Während die einen die Gemeinschaft von Personen favorisierte, denen ein bestimmtes Vermögen gemeinschaftlich zustehe, wollten die Bauern einzelne Parzellen und diese in individueller Bewirtschaftung, da ja der erhöhte Wohlstand der Stadt von der landwirtschaftlichen Seite komme.
Ein öffentlicher Aufruf von Fridolin Hirth, Hirschen-Wirt, Valentin Stern, Willibald Hirth, Färber Hironymus Hämmerle, Schmied Josef Schumpp und Uhrmacher Valentin Meder sollte die Zweifler zum Eintritt bei der Beurbarung veranlassen.
Ohne geordnetes Geldwesen ging es auch 1869 nicht, das von der Städtischen Sparkasse und dem Vorschussverein, später Volksbank, geregelt wurde.
Bei der Sparkasse war lange Zeit Karl Zapf der „Kassier“ und Kassen-Leiter, der 1869 von Kaufmann Paul Dold abgelöst wurde. Der nun trat ins Obligo und leistete als Kaution 3000 Gulden, dass er seine Geschäfte ordentlich abwickle und erhielt ein laufendes Gehalt von 400 Gulden.
An die Gewerbeschule, die von Direktor Meining geleitet wurde, kam auf dessen Vorschlag als Hilfslehrer der Modelleur und spätere „Falken“-Wirt Theodor Göth, ausgebildet an der Akademie München und Sohn des städtischen Aktuars Josef Göth, wie damals Kanzlei- oder Gerichtsangestellte genannt wurden.
Und auch an der Kreis-Musikschule gab es einen Wechsel: auf Musiklehrer Brugger folgte der Tonkünstler Fendrich aus Karlsruhe mit einem Gehalt von 800 Gulden, das gemessen am Sparkassenleiter wohl aufs Jahr galt.
Konfrontiert waren die Bürger Villingens auch mit dem Entwurf eines neuen „Gemeindegesetzes“ durch die badischen Regierung.
Mit recht zweifelhafter Begründung sollte darin das „Drei-Klassen-Wahlrecht“ beibehalten werden, die sich wie folgt las:
„Bei der Ansicht, dass […] die Bürger-Gemeinden bald in Einwohner-Gemeinden umgewandelt werden, ist die Macht, die der besitzlosen großen Masse zugestanden wird, für ein wirtschaftliches Gemeindeleben ebenso bedrohlich wie politisch gefährlich.“
INFO Zensus-oder Mehrklassen-Wahlrecht bedeutet ein Wahlsystem mit ungleichem Wahlrecht. Wählen durfte nur, wer gewisse Finanzmittel oder eben die bezahlte Steuer, Grundbesitz oder Vermögen nachgewiesen konnte. In manchen Systemen durften zwar auch Mindervermögende wählen, deren Stimme aber weniger Gewicht hatte.
Die Wahl zur Zweiten Badischen Kammer erfolgte über Wahlmänner, wobei keine besonderen Beschränkungen galten, alle Männer ab 26, die als Bürger in einem Wahldistrikt registriert waren, hatten ihr Wahlrecht. Nicht so Frauen und alle Männer ohne volles Gemeinde-Bürgerrecht, was für alle Dienstboten, Gesellen oder Arbeiter galt.
Ein Erlass erregte die Landwirte: das Vieh an den öffentlichen Brunnen der Hauptstraßen zu tränken, hatte der Gemeiunderat verboten, worin man eine Feindseligkeit sah und eine Beschwerde verfasst.
Von all dem unberührt blieb 1869 die Fasnet-Tage; die nämlich verlaufen ruhig und ohne Umzug.
Dafür initiierte der Verein zur Förderung der Kunst, geleitet von Kreisgerichtsrat Fritsch, im März eine Ausstellung mit Ölbildern des Zeichenlehrers Höflin.
Die mit 1300 Gulden dotierte Stelle des Stadtpfarrers wird durch den Großherzog von Pfarrer Ruth mit dessen Investitur im Dezember 1869 besetzt.
Josef Anton Honold wurde am 16. Januar 1888 als Sohn des Kaufmanns Thomas Honold in Villingen geboren. Im Jahr 1913 stellte er den Antrag, Bürger in Villingen werden zu wollen. Von 1925 bis 1930 führte er das elterliche Kurz-, Weiß- und Miederwaren-Geschäft in der Niederen Straße, heute Service-Zentrum Sparkasse. Als Diplomkaufmann war er für verschiedene Firmen im Im- und Export tätig. Nach 1918 wandte er sich auch dem Immobilienhandel zu. Auf ihn geht die Initiative zurück, den Gewerbeverein Villingen wiederzugründen.
Auch engagierte er sich im Haus- und Grundbesitzerverein. Im Nebenberuf war er freier Mitarbeiter der Lokalzeitungen und genoss im Kulturleben der Stadt Villingen eine hohe Reputation
Sein Interesse galt dabei vor allem der Heimatgeschichte. 1940 veröffentlichte er eine maschinenschriftlich verfasste Chronik des Stadtgeschehens „Villingen 1868 -1884“ vervielfältigt diese zum Preis für 3 Mark 50. Die Rechte daran kaufte ihm am 18. April 1950 die Stadt als Manuskript für 100 DM ab.
Seinen Nachlass verkaufte seine Tochter Heidi Braun 1971 an die Stadt: eine umfangreiche Sammlung aus Zeitungsausschnitten, Notizen und Manuskripten sowie unzähligen Fotografien. Josef Honold verstarb am 29. November 1967 nach schwerer Krankheit.
(Fortsetzung siehe 1870 )