Es herrschte großes Aufsehen durch die „Gewerbe- und Industrie-Ausstellung des Badischen und Württembergischen Schwarzwaldes“ vom 14. Juli bis zum 9. September 1907, denn diese bot eine ganz andere Dimension als ihre Vorgänger.
Auf der vier Hektar großen „Amtmann-Wiese“ nördlich des nahen Oberen Tores hatte man eine architektonische Einheit aus Ausstellungs-Hallen und Landschaftsgarten geschaffen, die schließlich von 280.000 Gästen besucht wurde.
Von fast gar erregendem Interesse in der Kunsthalle war die „Sammlung von Gegenständen zur Volkskunde des hohen Schwarzwaldes“ des Lenzkircher Uhrenfabrikanten Oskar Spiegelhalder.
Zeigten die Präsentation und die Inszenierung der schlichten Zimmer doch so recht den Gegensatz zum modernen großartigen Gepränge der Ausstellung und auch, wie früher der Schwarzwälder Bauer und Uhrmacher lebte, arbeitete und wohnte.
Es war somit eine kleine retrospektive Ausstellung, die den Besucher in die alten und einfachen Kulturzustände unserer Heimat versetzte.
Das Bild der Uhrmacherstube machte den Besuchern den unendlich zähen Fleiß des Schwarzwälder Uhrenmachers deutlich, der jahraus jahrein mit einfachen Werkzeugen am gleichen Fleck seiner Stube saß. Um einen bescheidenen Lohn, so wie es mit zufriedenem Sinn in gleicher Weise Vater und Großvater getan hatten.
„Unbekümmert um den Lauf der Welt, festwurzelnd im heimischen Boden, wie die Schwarzwaldtanne.“
Das hielt an, bis die Industrie die Kleinen in Preis Qualität und Mengen über- und unterbot.
Interessant wurde damit der Blick 1907 zurück auf das idyllische Leben, das ehemals die Generation der Ahnen als Schwarzwälder Uhrmachers führten.
So war es wohl die Anregung des Sammlers, dass er seine Exponate dauerhaft in der Region präsentieren wollte:
„Recht lebhaft wünschen wir, dass diese Sammlung im Lande, das heißt auf dem Schwarzwalde, verbleiben möge, wohin sie ihrer Eigenart nach unbedingt gehört.“
Warum also sollte der Schwarzwälder nach Karlsruhe, Nürnberg oder Berlin reisen, um Zustände alter Kultur zu sehen und zu studieren?
„Sollte nicht doch die Villinger Sammlung jedem Fremden, der den Schwarzwald besucht, genügen, weil diese von allergrößtem Interesse ist?“
Spiegelhalder hatte Erfolg mit seiner Strategie, und dies mehrfach.
Hatte er doch bereits 1896 eine seiner Sammlung an die Stadt Freiburg verkauft, ging 1909 eine weitere an das Badische Landesmuseum und schließlich die dritte 1929 an das Villinger Museum. Seither ist vor Ort die 1907 gezeigte Bauernstube ist dauerhaft ausgestellt.
Spiegelhalders volkskundlichen Inszenierungen glichen in deren Funktion die moderne „Großindustrie“ aus, worin sich Blick weitete auf die architektonisch gestaltete Ausstellung als symbolische Verbindung beider Aspekte.
Die Industrie- und die Maschinenhalle bildete die Eckpunkte und markierten die Schauseite des ganzen Geländes. Zwei flankierende Türme „nobilitierten“ diese seitlichen Großbauten. Dazwischen spannte sich ein offener Wandelgang mit zentralem Portal zu einem durchgehenden Ensemble.
Doch war es die Kunsthalle dahinter, „die das eigentliche Zentrum der gesamten Anlage bildete und dennoch von der mächtigen Industrie in die Zange genommen wurde.“
In der Aussage konnte man die Rolle von Kunst und Geschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts kaum besser inszenieren.
Spiegelhalders Intention 1907 sei gewesen, die Exponate als sentimentale Relikte einer untergegangenen Welt außerhalb der Geschichte darzustellen, die 1858 noch zur aktuellen Herstellung gehört hatten, womit er als einer der Direktoren der Uhrenfabrik AG Lenzkirch eine Doppelrolle als Aussteller spielte.
Auf die städtische Altertümer-Sammlung wurde im Katalog nicht nur unter den Villinger Sehenswürdigkeiten verwiesen, denn als 25. Gruppe wurde die Abteilung „Zunftwesen“ exponiert in die eigentliche Industrieausstellung aufgenommen, auch wenn sie in der städtischen Sammlung im alten Rathaus verblieb.
Für die städtischen Zünfte als sozialpolitische Einheiten galt einst dasselbe wie für die ländliche Hausindustrie: 1858 gab es sie noch, 1907 waren sie heimelige Geschichte.
Bei solcherlei Industrieausstellungen gelang es also, gesammelten Objekten als „Altertümer“ die Rolle zuzuweisen, die der Maxime des Fortschritts durch Industrialisierung vorausging.
Als Moderne und Tradition, als Belehrung und Unterhaltung, als Ethik und Kommerz und als Kunst und Geschichte.
Großherzog Friedrich I. und Großherzogin Luise
mit Honoratioren bei der Eröffnung der
Jubiläums-Gewerbe- & Industrie-Ausstellung in Villingen
Schwarzwälder Bauernstube aus der Sammlung Spiegelhalder
auf der Gewerbe- und Industrieausstellung 1907, Fotograf Eduard Lieberknecht