Vor 110 Jahren wurde Villingen Garnisonsstadt
Als 1961 der Villinger Hobby-Historiker Hermann Alexander Neugart (1893 – 1974) daran erinnerte, dass Villingen im Jahre 1913 für das Bataillon der 169er Garnison-Stadt wurde, schilderte er auch die „freudige Stimmung, welche dieses Ereignis damals in der Stadt hervorrief“.
Das aber galt 50 Jahre danach eher nur noch aus Sicht der Opas und Großmütter, die „sich gerne der erregenden Jugendjahre erinnern“.
Der jungen Generation, so Neugart 1961 weiter, sei aber schwer zu vermitteln, dass 1913 seit dem siegreichen Feldzug 1870/71 bereits 40 Friedensjahre vergangen waren und damit die Distanz zu groß, „um die letzte Konsequenz solcher prächtigen militärischen Schauspiele bewusst machen.“
Villingen, das seit 1326 zu Habsburg gehörte und nach Freiburg eine der wichtigen Städte im Herrschaftsgebiet Vorderösterreichs war, kam 1806 mit der napoleonischen Neuordnung wie viele andere Gebieten zwischen Bodensee und Oberrhein zum neuen Großherzogtum Baden. Für Villingen ein herber Schlag.
War doch die frühere, wenn auch bescheidene Zentralität verloren. Klöster und höheren Schulen wurden geschlossen, kulturelle Schätze, wie auch eine Silbermann-Orgel, wurden Richtung Karlsruhe requiriert, eine beginnende Industrialisierung wurde eigentlich auf Jahre gelähmt.
Eine Garnison als Gewinn für die Stadt
Dem stand aus bürgerlicher Sicht eine Hoffnung entgegen. Würde Villingen Garnisonsstadt, könnte auch Handwerk und Handel aufkeimen und eine Garnison würde zum Gewinn für die Stadt. Worauf also Gemeinderat und Bürgerausschuss lange vergeblich gewartet hatten, wurde schließlich 1913 beschlossen: Villingen erhält eine Garnison.
Hatte sich die Stadt in ihrer eigentlich wehrhaften Geschichte 1744 kampflos ergeben müssen, war 170 Jahre später die Neugier groß, als 1913 nacheinander die Stamm-Mannschaften aus Karlsruhe, Rastatt und Mannheim am Bahnhof eintrafen, von wo aus eine “vielhundertköpfige Menschenmenge“ die ‚Soldätles‘ mit ihren Pickelhauben über den Kloster- und den Benediktinerring zu den neuen Baracken begleitete, die zwischen Kirnacherstraße und dem früheren Loretto-Weg erbaut worden waren.
Zu Ehren und zur Unterhaltung aller Beteiligten lud die Regimentskapelle der 169er zu einem Konzert in den „Engelsaal“ an der Vöhrenbacherstraße.
Zum damaligen Höhepunkt wurde am Samstag. den 4. Oktober 1913 der offizielle Einmarsch unter dem Bataillonskommandeur Major Liliehoff-Zwowitzi.
Bei strahlendem Sonnenschein marschierte man vom Obertor zum Rathausplatz, wo die Honoratioren warteten – ebenfalls in Uniform oder in Frack und Zylinder und mit Orden, soweit man welche hatte.
Mit dabei Bürgermeister Lehmann, der Bürgerausschuss, die Gemeinderäte, Vertreter des Großherzoglichen Bezirksamtes sowie die Abgeordneten von Reichstag und Landtag Duffner und Görlacher.
Beim Defilee mit blitzenden Degen und lautstarken Kommandos vor dem Offiziersstab und der städtischen Prominenz ging es über die Niedere Straße, über den Kaiserring in die Bickenstraße und durch die Rietstraße zu den Baracken.
„Überall Fahnen und Girlanden, an den Fenstern winkende und rufende Menschen. Um 14 Uhr begann im Hotel „Blume Post“ bei 52 Gedecken ein Festessen“, das die Stadt zu Ehren des Offizierskorps gab.
Am 16. Oktober rückten die ersten 400 Rekruten ein, wozu der Chronist schrieb: “…in des Königs Rock, dem Vaterland den schuldigen Tribut zu zollen.“
Eingeweiht wurde die damalige Kaserne 1914; in den 20er Jahren nannte man sie ‚Richthofen-Kaserne’.
Mit der allgemeinen Wehrpflicht ab 1935 begannen weitere Bauarbeiten für fünf neue Kasernengebäude und weitere Rekruten, die ab 1936 nach Villingen in die ‚Boelcke-Kaserne’ berufen wurden.
In jener Zeit wurde das Villinger Gymnasium zur ‚Immelmann Oberschule’, wonach die drei berühmten Jagdflieger des Ersten Weltkriegs, Richthofen, Boelcke und Immelmann, im Villinger Stadtbild vertreten waren.
Der damaligen Jugend solche ‚Helden’ bewusst zu machen, zählte zweifellos zur ‚Wehrhaftmachung des deutschen Volkes’…
Als französischen Truppen ab 1945 die Kasernen nutzten, wurde die eine zu Ehren eines französischen Generals zur „Lyautey-Kaserne“. Und die Boelcke-Kaserne, im Zweiten Weltkrieg unbeschadet, wurde von den französischen Standortstreitkräften als ‚Welvert-Kaserne’ genutzt, ebenfalls benannt nach einem französischen General.
Noch etwas zur französischen Garnison.
Es gab auch ein französisches Kino.
Eines Tages machte auf dem Schulhof folgende Nachricht die Runde:
Beim Franzosen – Kino kann man nackte Frauen sehen.
Nach der Schule fuhren wir gleich dorthin.
Die Wahrheit war folgende: Am Eingang hingen Kinoplakate
mit Brigitte Bardot und anderen Busenwundern.
…das Pubertier in dir und mir
fand damals statt in so manchem Stadtquartier!
Und auch der Pfarrer, dieser Igel,
bekam was mit in des jungen Sünders Beichtes Spiegel!
Hallo wob.,
meine erste Begegnung mit Soldaten war Anfang der 50-er Jahre.
Wir wohnten in der Brigachstrasse. Im Hotel an der Ecke residierte der französische Stadtkommandant.
Am Eingang wachten 2 Soldaten in voller Montur mit Gewehr.
Die Uniformen waren bunt: rote Achselklappen, weißer Gürtel, weiße Gamaschen.
Als Zweijähriger war ich fasziniert.
Meine Eltern erklärten mir, das seien französische Soldaten.
Als ich später mal gefragt wurde, was ich werden wollen,
sagte ich: Deutscher Franzose.
Später hatte ich immer wieder Kontakt mit den französischen Soldaten,
sei es auf dem Übungsplatz, wo wir als Buben zum Zuschauenmit unseren Geppeln hinfuhren,
oder noch später, als auf dem Kasernengelände am Tag der Offenen Tür
Rockkonzerte mit französischen Bands stattfanden.
Glücklicherweise war Französisch die erste Fremdsprache