Villingen – wehrhafte Stadt (III)

Als die Villinger „absaufen“ sollten – Von tapferen Bürgern, den Belagerern 1633/34 und Marschall Tallard 1704

Es war allein das unerschrockene Gemüt der Villinger und die Kühnheit der Reiterei, dass man sich von Juni bis Oktober 1633 nicht hat den Württembergern ergeben müssen. Im Gegenteil.  Selbst unter dem Kommando des Obristen von Degenfeld hatte man durch die mutige Reiterei des Simon Thanner den Feinden mehrere Schlappen beigebracht, so dass Degenfeld am 5. Oktober 1633 schließlich abzog.

Die Bevölkerung konnte aufatmen, 14 Wochen war man unter Waffen gestanden und schließlich „aller Lebens- und Futtermittel entblößt“, die man jetzt mit bewaffneter Hand versuchte bei den umliegenden Ortschaften „beizubringen“. In den folgenden Monaten hatte  Feldmarschall Horn die „trotzige Antwort“ der Villinger nicht verkraftet und wollte noch einmal „das höchst schädliche Nest Villingen bemeistern“, in dem sich die Besatzung, die Bürgerschaft und der Magistrat zerstritten hatten, auch wegen der Verteilung der gemachten Beuten bei den Streifzügen.

Da jedoch die Anfeindungen durch die Württemberger nicht gebannt waren, schwor man weiter die Treue zu Österreich, als im Juli 1634 der schwedische Obrist Gassion mit seinen Reitertruppen die Kapitulation forderte.

Villinger ersäufen. Bei einem der ‚Ausfälle‘  der Villinger Reiter unter Wachtmeister Digasser, der in den beiden Belagerungen zuvor bereits „Rühmliches geleistet hatte“, wurde dieser tödlich verwundet, worauf er mit großer Trauerfeier im Franziskaner-Spital begraben wurde.

Derweil kam Gassion auf die doch eher naive Idee, die Villinger „ersäufen“ zu wollen, indem er die Brigach bei der Öhlmühle aufstauen ließ. Nach acht Wochen Bauzeit blieb jedoch der „Brigy-Fluss“ sommerlich  wasserarm, und so dauerte es tagelang, bis das Wasser dann doch bis zum Niederen Tor reichte.

Der Erfolg diese Wasserbelagerung blieb jedoch aus, weil die vereinigten Württemberger und Schweden bei Nördlingen durch König Ferdinand herausgefordert waren und Eberhard von Württemberg um den Rest seiner kämpfenden Landsleute bangte. So zog am  9. September Gassion von Villingen ab. Die Villinger soffen nicht ab.

Rottweil besetzt. Jetzt fehlte zum militärischen Erfolg nur noch, dass sich die Rottweiler dem provokanten Aufzug der Villinger Reiterei unterwarfen. Einsichtig ließ man sich in Rottweil, der bisherigen Hauptstütze des Feindes, „kaiserlich besetzen“. Während dessen wurde Simon Thanners inzwischen verwilderte Meute vom Markgrafen Wilhelm von Baden verboten, sich  weiterhin „der ungezügelten Raublust an den württembergischen Unterthanen“ hinzugeben.

Nach all der Not, dem Elend, dem Mangel dem Tod und dem Verderben bei den Belagerungen waren die Stadt und ihre Bürger in einer so „betrübenden Verfassung“, schreibt Alber Fischer 1914,  das sie 14 Jahre brauchten, um sich einigermaßen zu erholen.

Warnschuss. Noch immer waren jedoch versprengte, militante Banden unterwegs, von denen eine mit einem Offizier als Rädelsführer im Mai 1643 glaubte, mit einem Sprengsatz das Niedere Tor aufbrechen zu können, um dann „voll Gewalts und Wuts in die Stadt eintringen“ zu können“. Doch der geplante Überfall wurde den Wachen durch nächtlichen Zuruf verraten, worauf die Kugel eines einzigen Warnschusses „just und glatt den allda mit Kriegsvolk anmarschierenden Offizier tötlich verwundet hat,“ so Albert Fischer 1914.

Graf Chamilly. Ein Menschenleben später, als Ludwig XIV. und Leopold I. eigentlich einen 20-jährigen Waffenstillstand geschlossen hatten, war allerdings der Vertrag das Pergament nicht wert. Ein Graf von Chamilly sollte und wollte mit 1000 Mann die Stadt Villingen annektieren.

Es war jedoch eine diffuse Lage, die sich bot, denn während die Villinger selbst noch die Mauern der Bickenkapelle durchbrachen, damit der Feind keinen Schutz fand, und man zuvor das dortige Nägelinskreuz ins Münster brachte, hatte man schon begonnen, den vermeintlichen Feind zu beschießen.

Graf von Chamilly schickte tags drauf einen Parlementär, der erklärte, man habe nichts Feindliches vor, da ja auch die Kontribution bezahlt sei, um Villingen nicht anzugreifen.

Chamilly‘s Forderung, Villingen als französische Garnison nebst einer österreichischen zu belegen, wurde jedoch abgelehnt und die Franzosen  zogen weiter, wohl weil man auch zu  wenig Geschütze mitführte um die Stadt zu gefährden.

Proviant für Villards. Grad mal 15 Jahre später waren es wieder französische Truppen unter Marschall  Villards, die auf dem Weg zu den befreundeten Bayern im Kampf um die spanische Erbfolge, Villingen im Visier hatten. Villards forderte zunächst nur Proviant, doch Obrist Freiherr von Wilstorff lehnte die Lieferung von „Fourage“ ab. Was folgte war der Beschuss der Stadt aus vier Karthaunen, deren Wucht aber wenig beeindruckte. Villards wütete daraufhin, wie „ein solch elendes Loch sich traue“, sich gegen 40000 Mann und zehn Geschütze zu verteidigen. Villards zog schließlich gen Tuttlingen ab. Was blieb, waren französische Nachzügler, die als Marodeure durchzogen. Viele wurden „gefänglich eingebracht“ und wegen ihrer Taten am Hochgericht gehenkt.

 

Graf de Tallard, Camille, Herzog von Hostun – Villingens Belagerer (aus: Häßler 1952, ohne Quellenangabe).

Und schon ein Jahr später die nächste Belagerung, diesmal durch den – hierorts in der Neuzeit längst populären – Marschall Tallard, der auf seinem Weg schnell mal dieses „Ratzennest und seine vollen Magazine als willkommene Beute“ nehmen wollte.

Tallard ließ von Westen und besonders vom hohen Hubenloch aus schießen, was das Zeug hielt: vom Franziskaner bis zum Romäusturm tat sich eine Bresche auf, die jedoch wieder mit Holz, Mist und Steinen dürftig geschlossen werden konnte.

Tallards Zelt. Noch einmal legten die Franzosen erschreckend zu. Durch glühende Kugeln und Bomben wurden 200 Häuser „bis auf die bombenfesten Speicherböden abgedeckt.“ Obwohl Tallard die Beschießung fortsetzte, hatte er schon den Befehl, dem Bayern zu Hilfe zu eilen und möglichst nicht auf Prinz Eugen zu treffen, der auf dem Weg war, die Villinger zu entsetzen. Noch bevor Tallard abzog, ballerten die Villinger mit 600 Soldaten und 300 bewaffneten Bürgern zurück, was den Franzosen 1500 Tote und verwundete beibrachte.

Der Chronik nach wurden hohe Offiziere und zwei Generäle hinter dem „Engelhard“, wo Tallards Zelt stand, bei der „roten Kapelle“ (ungefähr der Standort der späteren Loretto-Kapelle) und beim Hammer-Kirchlein am heutigen  Kurgarten beigesetzt. Just dort, wohin später das ehemalige „Aasemer Käppele“ versetzt worden war, das heute noch zum „Oberhaus“ der Blessings gehört.

Längst ist in weiten Kreisen der Bevölkerung bekannt, dass anstelle von Tallards Zelt die spätere Loretto-Kapelle zu Ehren Marias erbaut wurde, die man zur Hilf angerufen hatte und damit ein Gelöbnis erfüllte.

Ohne Hilfe. Ein letztes Mal im 18. Jahrhundert hatten sich die Villinger 1744 zu überlegen, ob sie noch einmal auf Wällen, Türmen und Toren hinter eher schwachen und ungenügenden Verteidigungsanlagen auch mit Söldnern des Hauses Habsburg gegen die Feinde kämpfen wollten.

Doch die Stadt im Sinne einer Vauban’schen Befestigung rechtzeitig zu erneuern, überforderte die Kräfte der Gemeinde und notwendige staatliche Hilfe blieb aus. Das führte dazu, dass die Villinger am 10. September 1744 als Folge des Österreichischen Erbfolgekrieges die Stadt kampflos an Marschall Belleisle übergeben mussten.

Gulden und Flinten. Die Geschütze der Artillerie wurden nach Straßburg überstellt, wodurch Villingen wehrlos wurde. Das bisherige Bürgeraufgebot konnte die besondere Aufgabe der Verteidigung aus eigener Kraft nicht sichern und musste aufgeben.

Die materielle Last blieb: für Geld und Proviant an durchziehende Truppen oder deren Winterquartier kam es bis zum Abzug der Franzosen (28. April 1746) nach dem allgemeinen Frieden in Aachen vom 18. Oktober Mai 1745 zu einem Gesamtaufwand von 202 000 Gulden.

Die Flinten, die die Bürger einst unter Belleisle abgeben mussten, wurden nach dem Abmarsch der Franzosen gleich wieder verteilt…

 

 

 

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