Villingen – wehrhafte Stadt (IV)

Die Garde-Kavallerie des Bürgermilitärs von 1830…*)

Vom Bürgermilitär, der Bürgerwehr und den Grenadieren

Standen die tapferen Bürger bei den drei Belagerungen  des 30-jährigen Krieges 1633/34 und 1704, als zuletzt Marschall Tallard die Stadt einnehmen wollte, noch erfolgreich auf Wällen, Türmen und Toren, fochten sie hinter eher schwachen und ungenügenden Verteidigungsanlagen auch mit Söldnern des Hauses Habsburg gegen die Feinde.

Die Stadt im Sinne einer Vauban’schen Befestigung rechtzeitig zu erneuern, überforderte aber die Kräfte der Gemeinde und notwendige staatliche Hilfe blieb aus. Das führte dazu, dass die Villinger am 10. September 1744 als Folge des Österreichischen Erbfolgekrieges die Stadt kampflos an Marschall Belleisle übergeben mussten.

Ordnung und Sicherheit. Die Geschütze der Artillerie wurden nach Straßburg überstellt, wodurch Villingen wehrlos wurde. Das bisherige Bürgeraufgebot konnte die besondere Aufgabe der Verteidigung aus eigener Kraft nicht sichern und musste aufgeben.

…. und die Infanteristen aus demselben Jahr **)

Was seit 1760 blieb, war ein einfacher Schutzdienst, der nicht mehr im Schießen und Exerzieren der Schützengesellschaften ausgebildet wurde, sondern sich nur noch um die Ordnung und die Sicherheit im Innern kümmerte, indem man auch nächtens Wache schob und auf Streife ging. Der bescheidene Sold dafür bestand in erhöhter Abgabe an Bürgerholz.

Auf Dauer war dies jedoch nicht haltbar, weshalb ein Oberleutnant Carfuss, ehemals wohl Anführer eines österreichischen Werbekommandos, 1774 fünf  bürgerliche  Korporale anleitete, Wachmannschaften zu rekrutieren und diese dienstfähig zu machen.

Geschützdonner. Einem  solchen  Bürgeraufgebot blieb dann aber auch die selbstgefällige Pflicht, bei kirchlichen und weltlichen Festen freud- und prunkvoll zu paradieren. Stets begleitet von mehrmaligem Geschützdonner von den Tor-Türmen oder von hoch oben von der Wanne.

Als im Mai 1806 – wenn auch nur für kurze Zeit – Villingen württembergisch wurde, stand das Bürgermilitär zu Fuß mit 150 Mann unter dem Kommando von Stadthauptmann Mayer, verstärkt durch eine türkische Musik und die Stadt-Tambouren.

Und schon im Oktober ein neuerlicher Aufmarsch, als der badische Kommissar Baron von Drais vom Magistrat und den „uniform- und paradefreudigen Männern“ empfangen wurde. Das ähnliche Procedere 1810, als in Villingen das Direktorium für den Donaukreis mit acht Ämtern eingerichtet wurde (ehemals Landratsamt; heute Seniorenresidenz).

Die „ersten Bürger der Stadt“ stellten gar ein berittenes Korps mit 26 Mann.

Das alles war nun keine Neugründung, auch wenn die Bürgerinfanterie neu eingekleidet wurde. Mit dabei der Rittmeister J. M. Ummenhofer und der Grenadierhauptmann Zeller, der schließlich 1828 austrat und auf eine enorme Dienstzeit von 46 verweisen konnte.

Neue Verfassung. Grund genug also, der Bürgermiliz eine eigene Verfassung zu geben, was das Bezirksamt und die Stadtverwaltung unterstützten.

Dies stieß allerdings bei den alt-bürgerlichen Offiziere auf Widerstand, doch es kam dennoch zu einem neuen Wach- und Streifendienst, dessen Führer ein jährliches Gehalt und ein bis zwei Klafter Brennholz erhielt, weil er auch die Ausbildung junger Schützen übernahm.

Die neue Ordnung fürs Bürgermilitär von 1818 wurde gegliedert in ein Kavallerie ein Grenadier- und Musikkorps mit einem Major an der Spitze.

Drei Klassen. Wegen des Drei-Klassen-Wahlrechts im politischen Leben der Stadt kam es jedoch bald zu inneren Unruhen bei den Infanteristen, weil dem Grenadierkorps nur 10 Chargen und 36 Gemeine und zwei Tamboure angehörten.

Grüne Grenadiere von 1810 beim Rückmarsch vom alljährlichen Neujahrs-Schießen seit 1967 auf dem Hubenloch.

Wegen einer neuen badischen Landwehr galt aus ministerieller Sicht ein lokales Bürgermilitär als „ganz und gar nicht nötig“.

Füsiliere und Grenadiere waren sich nicht grün, weshalb das Bezirksamt das gesamte Korps neu ordnet: eine Eskadron Dragoner und so viele Füsilier-Kompanien, wie Männer für die Mannschaften freiwillig beitreten, und ein Musikkorps.

Die Grenadiere von 1810 waren schließlch der weiteren Demokratisierung des öffentlichen Lebens zum Opfer gefallen.

Auf dieser Grundlage bestand das Bürgermilitär noch bis März 1848, bis man Waffen, Armaturen und Musikinstrumente an eine neue Bürgerwehr übergab. Doch auch diese vermeintliche „Truppe der Revolution“, die man dem Idealismus der Badischen Revolution zurechnete, wurde beim Einmarsch der Reichsarmee im Juli 1849 schließlich und endgültig aufgelöst.

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Neuzeit der Vereine

1925 Gründung der Bürgerwehrmusik als Stadtmusik

1928 Gründung der Bürgermiliz im traditionellen Rock

der früheren Zunftmeister des Handwerks

1930 Gründung der Kavallerie nach dem Vorbild von 1830

1931 Gründung des Landesverbandes der Bürgerwehren

im Alten Rathaus zu Villingen

1951 Widergründung der Infanterie nach dem Leitbild von 1830

1955 Gründung des Vereins ‚Historisches Grenadiercorps 1810 e.V. nach Vorgabe

einer Grenadier-Kompanie des Villinger Bürgermilitärs von 1810.

 

 

(*) Repro au: Festschrift 700 Jahre wehrhafte Stadt;1994)

(**)Repro aus Festschrift 2017; Landestreffen der BüWehren)

 

Rittmeister J. M. Ummenhofer forderte 1828 vom Gemeinderat, das Bürgermilitär neu zu organisieren

(Repro aus: Festschrift 175 Jahre Stadtmusik; 1985)

Tallards Angriff vom Hubenloch (Repro aus: Festschrift – Die Belagerung der Stadt; 1704/2004)

 

 

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