Villingens letztes Original – Richard Säger

Ehrung als Jaag-Puppe, mit Baum und Bänkle

Einst galt er über Jahrzehnte als eines der letzten Villinger Originale. Kannte man ihn doch auch als den ‚Eiermaa‘, der als ambulanter, ja als fliegender Händler im Städtle unterwegs war und der damit warb, dass man glauben solle, weil es auch oft so war, dass er nahezu jedes „Ei mit zwei Dotter“ verkaufe.

 Zu seinem 80. Geburtstag im März 2015 war ihm im Geisinger Pflegeheim, wo er bereits seit 1991 lebte, allerdings körperlich und geistig nicht mehr zum Feiern. Und so war und blieb Richard Säger, der wenig später im Juni 2015 verstarb, für viele Villinger bis heute ein Unikum, eine Legende, ein Original, und eben auch der Villinger Eiermaa.

Und auch in 2017 blieb die Erinnerung an ihn wiederkehrend, weil sein Konterfei jährlich auch immer wieder bei den Jaag-Puppen auftaucht, bei denen er zum riesigen Ensemble aller Narren-Figuren en miniature gehört: Richard Säger, das stadtbekannte Original, ein wahrlich spezieller Typ, wenn auch hyper-aktiv, der eben als „Der Eiermann“ in der Stadt besser bekannt gewesen sein soll als mancher Stadtrat. Selbst die Spittelsänger haben dem Säger-Richard in ihrer Mundart-Hymne „Hätt denn kon kon Kam?“ in einer Strophe ein musikalisches Denkmal gesetzt.

Seinen legendären Spruch „Zwei Eier- zwei Dotter!“ klang in allen Villinger Stadtquartieren, wo er mit seinem Sortiment in zwei Spankörben mit Waschmitteln, Seife, Landbutter, Schuhcreme und Eiern auftauchte.
Ein mühseliger Broterwerb, der ihm auf andere Weise in seinem Wunschberuf als Schreiner wegen einer Sehschwäche verwehrt blieb. Nach der Handelsschule wurde er deshalb zum fliegenden Händler, der seine Kunden an deren Zuhause aufsuchte. Schon ab 1950 sei der Eiermaa samstags mit seinem Angebot auf dem Villinger Wochenmarkt gestanden – kein kleiner Mann, mit hoher Stirn, dem schäps sitzenden Hut und mit starken Gläsern in der Hornbrille. Täglich mit gefüllten Henkel-Spankörben unterwegs und stets in Eile, und somit meist verschwitzt, hetzte er geradezu durch die Stadt.

Über viele Jahre kannte er auch zig ertragreiche Plätze im nahen Stadtwald und weit darüber hinaus, wo er Heidelbeeren, Preiselbeeren und Pilze sammelte.
Er soll auch nicht drei Stunden zu Fuß gescheut haben, in denen er bis zur Fuchsfalle oder zum Stöcklewald-Turm lief.

Seiner Schilderung nach, die sich bis heute hält, hat er einmal bei einem Bauern in 16 Tagen 18 Zentner schwarze Johannisbeeren geerntet und diese auch verkauft.

Eine autobiografische Anekdote schrieb sich der Eiermaa in den 60-er Jahren zu. Auf Ostern hin habe er in vier Stunden einen Rekord aufgestellt: 6000 Eier habe er verkauft. Und die mit zwei Dottern gab es wohl oft, denn es waren Rodewälder-Hennen, deren Produkt er verkaufte. Eier mit 75 bis 90 Gramm, so lobte der Sonderling Richard sich und seine Ware.

In seiner Eigenart und mit seinem Schnellsprech-Stakkato konnte Richard aber auch einen aufbrausenden Charakter zeigen. Doch seine mentalen Talente waren deutlicher. Blitzschnell im Kopfrechnen und gewandt am Klavier, auf dem er Lieder nach Gehör fehlerfrei intonierte.

An Richards späterem Heimplatz ab 1991 in Geisingen vergaßen einige Villinger nicht, Kontakt zu ihm zu halten. So initiierte Waltraud Haas zu Richards 75. Geburtstag, dass Heidis Rentner-Bänd aufspielte und seine Schulkameraden des Jahrgang 1934/35 im Gefolge waren.

Wer schließlich, wann auch immer, dem Richard, einem unvergessenen Villinger, auf der Höhe zwischen Magdalenenbergle und Tannhörnle die einzig dort stehende Tanne mit einem großen, in Blech gefassten Holzschild als Richard-Säger-Tanne widmete, der hat wohl erkannt, dass dieser kräftige Baum so einzig steht, wie Richard Säger seine Lebenszeit in Villingen verbrachte.

Der oder die ehemaligen Stifter hatten sich bis 2017 jedoch nicht erneut gemeldet, um gemeinsam zu erreichen, dass das Grünflächenamt an Richards Tanne auch noch ein Bänkchen platziert.

Zur Person

Richard Säger, Jahrgang 1935, war ein Villinger Original. Bekannt wurde Säger in der Stadt als ambulanter Onkel-Fritz- statt Tante-Emma-Laden, der neben Eiern auch Butter und Waldbeeren und vieles andere verkaufte.Seinen Spruch „Minne Eier hänn zwei Dotter“ kannte in Villingen einst jedes Kind. Seit 1991 lebte er im Geisinger Pflegeheim. Im Juli 2015, wenige Monate nach seinem 80. Geburtstag, starb Richard Säger.

*****

Ob Hau-Ruck oder Ratz-Fatz, ob heute bestell oder gestern schon wie von Zauberhand geliefert – für gute Taten gab es 2018 kein zögerliches Timing.

Auch nicht für Manfred „Manne“ Riegger, den passionierten Reiter und Kutschenfahrer, den ehemaligen Kommandanten und Vorsitzenden der Historischen Bürgerwehr und Trachtengruppe, der einst die Jahres-Hauptversammlungen im ungewöhnlichen Sauseschritt erledigte.

Als im Sommer 2018 Spaziergänger am Feldweg entlang des „Tannhörnle“ zwischen Magdalenenbergle und Fußballplatz Pfaffenweiler das deutlich eingewachsene Holzschild mit dem Hinweis auf die „Richard ‚Eiermah‘ Säger-Tanne“ wieder entdeckten, war es spontan die Villingerin Waltraud Haas, die das Plätzle unter der Tanne als ideal für ein Bänkle erachtete.

Ein Anruf der Fasnachterin und Nichte des ehemaligen Zunftmeisters Franz Kornwachs bei Manfred Riegger genügte und dieser hatte wahrlich im Stall in Zollhaus eine Bank „in petto“.

Statt diese zu streichen, setzte Riegger, der einst Schreiner lernte, neue, kräftige Kanthölzer ein und die Bank war gerichtet und stand parat.

Doch „abwarten und Tee trinken“, bis es zu einer offiziellen Genehmigung von der Verwaltung komme, ist und war nun nicht die Haltung eines Rieggers, wie sie einst schon Vater ,Paule‘ Riegger, der ehemalige und später mit 93 älteste Stadtrat (Freie Wähler) der Republik und Marbachs Ehrenbürger eher nicht hatte.

Ein wenig Grün-Rückschnitt am Fuße des Baumes und die einladende und stabile Bank hatte ihren Standort: „Do wartet mer doch nit, bis ebber so ebbs genehmigt!“, und schwupp-di-wupp stand das Sitzmöbel neben dem beginnenden Naturschutz am „Tannhörnle“, wo vorausschauende Bürger sich in den frühen 60-er Jahren sogar einen Golfplatz vorstellen konnten.

2 Gedanken zu „Villingens letztes Original – Richard Säger“

  1. Wunderschön.
    Eine richtige Ehrung für den Eiermaa.
    Schön, dass es noch Zeitgenossen gibt,
    die eine Erinnerung an ihn aufrecht halten.
    Er war immer unterwegs mit seinen Eiern.
    Auch meine Mutter kaufte bei ihm.
    Eines Tages hatte sie wirklich ein Ei mit zwei Dotter aufgeschlagen.
    Sie holte uns Kinder in die Küche und zeigte uns das.
    Unsere Ehrfurcht vor dem Eiermaa stieg.
    Er hatte nicht geschwindelt.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar