Visuelle Werbung seit über 500 Jahren – Von Schmieden geschaffen
von Wolfgang Bräun
Im 16. Jahrhundert waren geschmiedete Stechschilder an Wirts- und Handwerkshäusern häufig vom Rat der Stadt vorgeschrieben, worauf solche oft aufwändigen „Werbetafeln“ für viele Städte typisch wurden. Je nach Region und Landschaft nennt man solche Stechschilder auch ‚Nasenschilder‘ oder bautechnisch als „Ausleger“.
Die Schilder dienten damit der frühen ‚Reklame‘, weil nicht alle Menschen lesen oder schreiben konnten, und sich deshalb insbesondere die Wirte ihr Symbol für ihre Gaststätte wählten, an denen man erkannte, wo es Speis’ und Trank oder auch ein Bett gab. Bäcker, Metzger und Barbiere folgten.
Das Nasenschild oder auch der Ausleger ist also eine traditionelle Form der Werbung und nichts anderes als ein Werbeschild, das an der Hauswand eines Wirtshauses oder über der Werkstatt oder dem Ladenlokal eines Handwerkes auf dessen Zunft und seine Leistung hinweist.
Das Ganze meist angebracht auf Höhe des zweiten Stockwerks im „rechten Winkel“ wie eine Nase an der Fassade, zu der man die eigene Nase noch recken muss. Und alles möglichst prunkvoll und auffällig, damit Passanten, Fremde und Kunden immer wieder aufmerksam werden.
Eine Form der visuellen Werbung also, die bis in unsere Zeit als „AIDA“- Information (Attention-Interest-Desire-Action/ Aufmerksamkeit-Interesse-Wunsch und Kauf) auf eine Handelsbranche, eine Boutique, eine Apotheke oder eine Versicherung hinweist.
Werbesatzung Stadtbezirk Villingen
§ 11Ausleger (1) Schmiedeeiserne, kunsthandwerklich gestaltete, nicht tafelförmige Werbeanlagen sind zulässig als Ausleger mit transparentem Erscheinungsbild bis zu einer Auskragungstiefe (Abstand der Fassade zum äußersten Punkt des Auslegers) von maximal 1,20 m und im Hauptstraßenkreuz (Niedere Straße, Rietstraße, Obere Straße, Bickenstraße) bis maximal 1 Meter 60 m. Die Fläche der Werbetafel bzw. des Handwerkersymbols darf 0,40 qm nicht überschreiten, bei einer maximalen Höhe von 0,70 Meter.
Vielerorts wies im Mittelalter auch ein nur ein bescheidener Blätterkranz auf ein Gasthaus, dessen Restauration oder die mögliche Übernachtung hin.
So waren es die Kunst-Schmiede mit all ihren handwerklichen Fähigkeiten, die diese Nasenschilder schufen und sich innerhalb ihres Gewerke stark differenziert hatten: vom Blech- über den Waffenschmied bis zum Goldschmied und sie so auch zu den wohl situierten Vertretern ihrer Zunft wurden.
Die „Meister des schwarzen Handwerks“ verstanden es wohl auch „ein wenig Show zu machen“, wenn den Schmied bei seiner feurigen Arbeit Funkengarben umsprühten und er leicht auch als Zauberkünstler erschien, den man bewunderte und auch fürchtete. Auch wenn er traditionell Werkzeug, Räder und Wagen beschlug und Hufeisen herstellte. Dagegen war der Goldschmied im „königlichen Beruf“ Handwerker und Künstler zugleich.
Also boten die Kunstschmiede die Objekte, mit denen das jeweils andere zu beworbene Handwerk, das Wirtshaus oder das Sortiment eines Kaufmannes oder des Apothekers nicht mit Text, sondern mit Bild- oder Zunftzeichen auf sich aufmerksam machte.
Recht einfach war somit für die Auftraggeber die Motivwahl für Gastwirtschaften wie „zum Hirschen“, „zum Bären“ oder „zur Krone“ mit der klaren bildlichen Präsentation des Namens. Erst um 1900, als Emaille-Schilder modern wurden, wurden auch diese als Nasenschildern eingesetzt.
Je nach Schwerpunkt und Eigengewicht bedarf ein solches Schild einer sicheren Befestigung gegen die Zugkraft und gegen Wind und Wetter.
Deshalb mauerte man an der Hauswand meist zwei Eisen übereinander, von denen jeweils ein kleiner Ring oder eine Bandschlinge zwei geknickte Rundeisen das Schild aufnahmen, in der Funktion wie ein Scharnier, an dem das Nasenschild auch seitlich zur Wand hin geklappt werden konnte.
Stechschild, der; mhd. stechen oder kämpfen, turnieren; war ein Schutz, wenn bei einem gerichtlichen Zweikampf mit dem Kolben gefochten wurde, wogegen der Schwertkampf den Rittern, ihren Knechten und den Kaufleuten vorbehalten war. Beim Kampf mit dem Kolben, einer Holzkeule, oder mit einem unbeschlagenen Holzstock schützte man sich mit einem Stech-Schild. Dieser war im 15. Jahrhundert aus Holz mehr als mannshoch, wog um 10 Kilogramm, trug auf der Schauseite senkrecht mittig eine Ausbuchtung und war mit Tuch oder Leder bezogen. Der Schild wurde an einer durchgehenden Stange auf der Innenseite gehalten, die in der Höhlung gegriffen wurde.
Ob einfach in Motiv oder Farbe oder prunkvoll im Detail – eigentlich sind viele ein echter Hingucker, ein Stück Stadtgeschichte und ein Stück Tradition: die Stechschilder.
Nach vielen Jahrzehnten waren Nasenschilder für Haus- oder Geschäftsinhaber zwar weniger traditionell geworden, und dennoch blieben diese Werke der Kunstschmiede von Interesse als Relikt früherer Zeiten, wie bei der Villinger „Kronenbrauerei“ an der Josefsgasse oder wie dem Riesen-Stiefel beim Schuhmacher Rosenfelder ganz unten im Villinger Quartier ‚Krawazi‘.
Alte Steck-oder Nasenschilder wurden oft restauriert und auch neue in Auftrag gegeben, so von Gastwirtschaften und Hotels in Altstadtlage oder in historischen Gassen mit Geschäften und Handwerkern.
Eine bedingte Renaissance ist noch immer möglich, weil Ortssatzungen nach historischem Ensemble-Schutz solche Schilder in traditioneller Ausführung zulassen, während andere Außenwerbung oder deren geplante Schriftzüge verboten sind oder eingeschränkt werden.
Grundsätzlich transportiert diese anspruchsvolle Werbung noch immer ein Stück Stadtgeschichte transportiert.
Und so tragen Nasen- oder Stechschilder zum historischen Erscheinungsbild einer Stadt bei, was eine 500 Jahre alte Tradition fortschreibt.