Kuriositäten aus der alten Stadt – Altes Villingen des H. A. Neugart von Wolfgang Blessing 1976 belebt
Dezember 1976 – der Villinger Rechtsanwalt Wolfgang Blessing (1933 – 1995) wird im Advent jenen Jahres zum Herausgeber einer Broschüre, um den Heimatdichter Hermann Alexander Neugart (1894 -1975) und dessen einstige Histörchen, über „Villinger Originale“, die dieser von 1960 bis 1961 schrieb, auch den Enkeln zu bewahren,.
Dabei machte Blessing in seinem Vorwort deutlich, dass „es in jeder Gesellschaft Leute gibt und gab, die aus der Reihe tanzen und als extravagant gelten: Besessene, Weltverbesserer, Genies und andere liebenswerte Gestalten, die wegen ihrer Sonderheiten auffallen.“
Allen gemeinsam sei, dass sie die Welt anders sähen, sie anders lebten und damit den Durchschnittsmenschen Gesprächsstoff bieten würden. Auch wenn es in Zukunft Sonderlinge, Originale und ganz Urige gäbe, so Blessing, würden es Originale unserer Zeit aber schwerer haben, originell zu sein oder zu bleiben. Blessing hat für seine Broschüre bewusst darauf verzichtet, Neugarts Stil zeitgerecht anzupassen, um die Ursprünglichkeit zu wahren.
Und so beginnt die Reminiszenz an Neugart mit dessen „glücklicher Zeit, als statt Autohupen und Motorenlärm der ‚Guller‘ noch die Schläfer weckte, das Muh und Mäh und das Schweinegrunzen noch zum guten Ton gehörten. Da waren die Buben noch richtige Lausbuben und die Mädchen züchtig und verschämt. Und die Alten?
Die waren noch altbacken mit durchaus eigenen Ansichten. Doch von der Originalität zum Original ist es nur bekanntlich nur ein Schritt“, so H.A.N.
Zwar stadtbekannt war „de Bantle Guschtl“ kein solches Original, eher ein sonderbarerer Kauz, gutmütig, wenn auch ein etwas dickköpfiger ‚Tscholi‘ oder auch ein ‚konzige Kog‘.
Emil Färber, sein Dienstherr, fasste sein Urteil über ihn jedoch etwas krasser: „En schrege Siech isch‘r xii, ums Rumgucke hät’r om’s Muul anghängt.“
Doch wo zwei harte Köpfe zusammenkrachen, so Neugart, da gibt es eben Funken. Guschtl, der meist als Taglöhner schuftete, zog meist den Kürzeren und war oft der Pechvogel, weshalb er sich auch am liebsten im Wald aufhielt.
Um von dort zu einem Nebenverdienst zu kommen, „schmuggelte er hälinge“ in der Adventszeit Christbäumchen aus dem Wald. Bis ihn die Pechsträhne traf.
Da hatte er einmal gleich sechs oder sieben schöne Weiß-Tännchen glücklich bis zum Hof der Hollerith gedeichselt, die wohl einige der dortige Herren bestellt hatten.
Doch der tückische Zufall wollte, dass er bei der Lieferung an einen „Hollerith-Mann“ geriet, der mit der Sache nichts zu tun hatte und prompt Anzeige erstattete.
„So e Sauerei!“, wetterte der Guschtl, „lieber no mal in Sägebach keie, als so ebbis nomol mitmache!“
Eine große Untersuchung folgte, und um die „Herren“ nicht offen zu kompromittieren, sollte die Sache eher „vertuscht“ werden.
Die Christbäume hatten sie samt „Strafporto“ bezahlen müssen, zu einem Preis, für den sie dieselben ‚lotweise‘ in der Apotheke hätten kaufen können.
Und so misslang das „Vertuschen“, denn schon an der nächsten Fasnet geriet die Christbaum-Affäre zu einer „erschrecklichen Moritat“ für die schadenfroh lachenden Narrenb mit Drehorgelbegleitung.
Blessings Fazit 1976 über Neugart, das bis heute gilt:
„Treffend und meisterhaft wurden die Villinger Originale vom alten Schlag, wie „de Schnelle-Marti“, „de Xaveri, de Afrikaner“ oder auch „de Spieße“, beschrieben und karikiert.“
Der heutige Leser schließt sich nach 44 Jahren dem Lob an.