Vom „Deutscher Kaiser“ zum „Ketterer“

Mit einer Annonce begann 1873 die wechselvolle Geschichte des heutigen Hotel Ketterers, das im Mai 2019 zum letzten Mal geöffnet hatte.

Einem verehrlichen hiesigen und auswärtigen Publikum zeigte Elegius Kuner ergebenst an, dass er ab dem 7. September, seine Wirtschaft zum „Deutschen Kaiser“ eröffne.

Als späteres Hotel gehörte dessen Betrieb über Jahre zu den besten Häusern am Platz und war Treffpunkt für viele Villinger, für Vereine, Hochzeiten, Jahrgangstreffen und Geburtstage.

Wer immer es war oder wer glaubte dazu zu gehören, „es verkehrte dort alles was Rang und Namen“ oder auch nur Geld hatte.

Und so hielt auch der Alpenverein seit dessen Gründung vor 90 Jahren seine Sektionstreffen im Hotel Ketterer ab.

„Wir waren bestimmt die ältesten Untermieter“ meint einst Heinz Ganther vom Alpenverein, der die Schließung des Hotels bedauerte, da es für Vereine sehr schwer war  und noch immer ist, ein geeignetes Lokal mit großem Nebenzimmer zu finden.

Abschied mussten auch die „Alten „Jungfere“ nehmen, wo sie über Jahrzehnte ihr nur weibliches Publikum witzig und bisweilen auch bissiges mit närrischem Programm beim Alt-Jungfere-Obed unterhielten.

Elegius Kuner, Handwerker und Inhaber einer Uhrmacher-Werkstatt in der Kanzleigasse, begann als Wirt, als er den „Deutscher Kaiser“ eröffnete. Ihn inspirierte die damals fertige   Eisenbahnlinie Konstanz-Offenburg und die Hoffnung,  dass der lokale Fremdenverkehr zunehme.
Nach 21 Jahren verkaufte Elegius Kuner 1894 sein Hotel  für 75000 Reichsmark an Rudolf Göth. Der ließ ein Stockwerk drauf bauen und erweiterte zum Hotelbetrieb.

In 1919 bahnte sich ein Verkauf an die Rheinische Kreditbank an, was die Stadtverwaltung verhinderte und das Anwesen selbst kaufte. Neuer Eigentümer wurde Ernst Heyne, der den Ruf des „Deutschen Kaisers“ zum erstklassige Hotel erhöhte und der mit Erwin Kaiser einen Hotelfachmann als Pächter fand.

Vielen Jahre des Erfolgs folgte nach 1945 für acht Jahre die Beschlagnahme und die Besetzung des Hotels durch die französische Besatzung-Kommandantur in Villingen.

Erst 1957 erhielt das Hotel mit Claudia und Adolf Ketterer neue Eigentümer. Nach Umbau und Sanierung 1964 wurde aus dem „Kaiser“ das „Ketterer“.

Das deutlich modernere Haus mit gehobenem Standard wurde Ziel vieler Geschäftsleute und auch der Prominenz. Mit dabei der Schauspieler Eberhard Feik und Ministerpräsident Lothar Späth.

Das Hotel „Ketterer“ unterschied sich vom gleichfalls sehr beliebten und bekannten Hotel „Blume-Post“, wie Werner Jörres einst befand, dass in der „Blume“ oft gefeiert und getanzt wurde, dass sich die Balken bogen, es aber im Ketterer doch eher ruhig und gediegener zuging.

Was nicht an den Abschlüssen der Tanzschule Hägle lag, deren Konkurrent Helmut Tessari mit seinen Schülern die Blume favorisierte.
Im Jahre 1994 wurde die Familie Küchler aus Konstanz neuer Eigentümer, deren Pächter bis 1998 blieb. Nach verpflichtenden Auflagen erfolgte 2005 die Wiedereröffnung.

„Wir sind keine Hotelexperten“, und der Sprecher der Eigentümer räumte auch ein, dass in der Familie aktuell sehr private Themen die Agenda dominierten. Nach Todesfällen stehe nun faktisch eine Eigentümer-Gemeinschaft hinter dem Villinger Haus.
Im Mai 2019 ging die wechselvolle Geschichte des Villinger Hotels Ketterer zu Ende. Seitdem steht das eigentlich schmucke Gebäude (auch in 2025) leer.

An der Klingel stand noch „Empfang – Reception – Front Desk“ in der Brigachstraße 1  und über der Rezeption leuchteten ein paar Lampen im Dauerbetrieb, auf dem Tresen eine vertrocknete Zimmerpflanze, doch es öffnete niemand (nach SK VL).

Die Geschichte des Hotel Ketterer in Villingen endete mit Auflagen zum Brandschutz, was den Übernachtungsbetrieb nicht erlaubte. Auch nicht weiter als Boarding House für Gäste, die beruflich für kurze und längere Dauer eine Unterkunft benötigen.
Auch das asiatische Restaurant „TOKIO“ im Erdgeschoss ist seither geschlossen.

Die Substanz des Gebäudes nimmt seit dem langen Leerstand deutlich Schaden (2025).

 

2 Gedanken zu „Vom „Deutscher Kaiser“ zum „Ketterer““

  1. In der Franzosenzeit bin ich in der Brigachstraße aufgewachsen.
    Ich war immer beeindruckt von den marokkanischen Soldaten,
    die mit Fez, weißen Handschuhen und Gamaschen und Gewehr
    vor dem Deutschen Kaiser Wache standen.
    APROPOS Tanzschule ! :
    Ich war bei der Sport- und Tanzlehrerin Elfi Schmidt
    (sie war auch Tennislehrerin und ewig Singhelfrau; Annm.der Red.).
    Unsere 1. Tanzstunde war in der Blume-Post im 2.Stock über dem Restaurant.
    Offensichtlich war dort eine Art Schwingboden.
    Im Restaurant darunter schwankten die Kronleuchter
    und die Gäste waren beunruhigt, denn „es bogen sich die Balken“.
    Der Wirt Erwin Kaiser kam nach oben und erklärte der Tanzlehrerin,
    dass sie einen anderen Saal finden müsse.
    Ab da hatten wir unsere Tanzstunde im Gemeindesaal der Fidelis-Pfarrei.

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