Revolutionsjahre 1848/49 – Valentin Schertle, ein Kunst-Genie aus Villingen
Unter Villingens Straßennamen ist die Schertlestraße eher nicht sonderlich bekannt. Ist sie doch eine eher ruhige, tempo-reduzierte und auch kurze Anliegerstraße zwischen Erbsenlachen und Hammerhalde. Und so ist Valentin Schertle als einst gebürtiger Villinger ebenfalls eher unbekannt geblieben. Obwohl er vor 175 Jahren eine bedeutende Rolle spielte als „der“ „Porträtist der Revolution“ von 1848/49. Und nicht nur deshalb widmete und würdigte man ihm vor 25 Jahren mit der Ausstellung „Freiheit, Bildung und Wohlstand für Alle“.
Schertle wurde am 31. Januar 1809 als Sohn des Schneidermeisters Dismas Schertle in Villingen geboren. Bereits mit 13 Jahren erkannte man sein künstlerisches Talent, weshalb man ihn zur Lehre in die Herdersche Kunstanstalt in Freiburg schickte, die unter Leitung des Professors Ludwig Schuler von Straßburg und der Direktion des Kupferstechers Karl Barth stand. Eine ehemals wohl herausragende Sache, zu der sein Lehrvertrag noch heute als archiviert gilt.
Der junge Schertle war sich den Pflichten seines Lehrvertrags wohl zunächst nicht im Klaren, denn dieser sah vor, dass er nach sechsjähriger Lehre noch zwei Jahre für das Institut arbeiten musste.
Einer letzten Verpflichtung versagte er sich jedoch; nämlich auch später Exemplare seiner Arbeit an das Institut zu schicken. Da nun auch vor Jahrzehnten bei Herder keine Lithographien von Schertle vorhanden sind, darf angenommen werden, dass Schertle diese Auflage ignorierte.
Mit 21 Jahren wurde Schertle Schüler bei Franz Hanfstengel in München, obwohl ihm die Malerei als angestrebtes Studium näher lag als Hanfstengels Anstalt für Lithographie.
Mit dem Münchner Lehrmeister kam Schertle als Gehilfe auch mit nach Dresden, wo die Meisterwerke der Dresdner Galerie in Steindruck entstanden und veröffentlicht wurden.
Nach und nach wurde Schertle zu den bedeutendsten Zeichnern und Lithographen Deutschlands im vergangenen Jahrhundert; seine Werke oft eingebettet in Ausstellung über die regionale Revolutionsgeschichte.
Doch waren es nicht seine revolutionären Taten, sondern sein künstlerisches Können. Denn gemeinsam mit einem Kollegen schuf er die Porträts der rund 700 Abgeordneten des ersten gesamtdeutschen Parlaments, der Nationalversammlung der Frankfurter Paulskirche. Ein wahrlich historisches Zeugnis jener Ereignisse.
Das Gesamtwerk erschien im Verlag Heinrich Keller in Frankfurt und hieß „Frankfurter Parlamentarier – Charakterköpfe auf Großfolio“. Die Portraits wurden auf Stein gemalt, damit sie nach dem seinerzeit üblichen Steindruckverfahren, den Lithographien, vervielfältigt werden konnten.
Kunsthistoriker bescheinigen den Arbeiten von Schertle sehr gute handwerkliche Qualität, die vor allem die lokalhistorische Bedeutung der Person Schertle beschreibt: „Schertle war ein Villinger Künstler, der seiner Geburtsstadt die Weltgeschichte näher bringt oder zumindest ein bedeutsames Kapitel der deutschen Geschichte“.
Dass man sich vor Ort an Valentin Schertle erinnert, geht auf Karl Kornhas zurück. Auch der war gebürtiger Villinger und erinnerte als Professor der Kunstgewerbeschule Karlsruhe 1930 in der Zeitschrift „Mein Heimatland“ an den Villinger Schertle, von dessen künstlerischem Gehalt er sehr angetan war:
„Aus ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, hat sich Schertle aus eigener Kraft und eigenem Talent zu einem der bedeutendsten Zeichner und Lithographen Deutschlands empor geschwungen. Neben seinem künstlerischen Empfinden dürfte seine Produktivität ihresgleichen suchen.“
Wegen der kurzen Jugendzeit Schertles in Villingern ist er zwar aus dem hiesigen Bewusstsein gerutscht, doch nach seiner Ausbildung Freiburg und München gelangte er Ende der 1830er Jahre nach Warschau und St. Petersburg. Nach den Stationen Krim, Odessa und Riga schuf er zahlreiche Porträts als Lithografien, Bleistift- und Kreidezeichnungen sowie Aquarelle und auch lithografische Kopien von Werken berühmter Maler wie Raffael, Guido Reni und Paul Delaroche aus den Sammlungen der Petersburger Eremitage.
Die lithografische Kopie des Porträts der Zarin Alexandra Fjodorowna, geschaffen von der schottischen Malerin Christina Robertson (1796–1854), eröffnete ihm den Zutritt zum kaiserlichen Hofe. Auch in Warschau wurde er als Porträtist des polnischen Adels tätig. Über Berlin zog es Schertle nach Frankfurt, wo er die Pfarrerstochter Maria Köhler aus Görlitz heiratete, er zwei Söhne und eine Tochter bekam und er sesshaft blieb.
Wie es Schertle nach Erfindung der Photographie erging, ist nicht bekannt, denn er lebt weiter von der Portrait-Malerei und von Reproduktionen von Kunstwerken großer und berühmter Meister und hat damit Erfolg.
Seiner Vaterstadt Villingen blieb Valentin Schertle stets „ein treuer, anhänglicher Sohn“. Sind von ihm auch unzählige Lithographien bekannt, blieb jedoch nur ein Selbstbildnis, dass Schertle an Freunde und Bekannte in Villingen geschickt hatte. Schertle stirbt er am 24. Februar 1885, wohl einsam und verlassen, in einem Frankfurter Krankenhaus.
Erstaunlich.
Auf der unscheinbaren Schertle-Straße bin ich oft unterwegs.
Sie fällt nur durch ihre besonders tiefen Schlaglöcher auf.
Der Villinger Maler Schertle war mir unbekannt.
Danke für die Aufklärung!
Ja, sowas wissen viele Bürger nicht,
obwohl bei solchen Personen-Namens-Straßen
eine bescheide Erklärung
meist auf denm Schildern steht…