Fünfte Jahreszeit – Rezept für Fasnet-Kiächle aus 1905 für 66 Reichs-Pfennig
Die letzten ‚Springerle‘ hatten den weichen Biss schon um Drei-König, die Brezel gehört ganzjährig zum Alltags-Gebäck und die Schwarzwälder Kirschtorte ist meist ein Sonntags-Kaffee-Tisch-Vergnügen. Höchste Zeit also, ‚Fasnet-Kiächle‘ als ebenso bekanntes Gebäck im alemannischen Sprachraum des Südwestens selbst zu backen oder eben in Öl zu sieden.
Als komplett vor-fasnachtlich und damit unverdächtig gilt ein hiesiges Rezept mit noch immer zeitnaher Backanweisung, ehemals ‚Regel‘ genannt, die aus dem Jahre 1905 und aus dem Rezeptbuch der gebürtigen Villingerin Theresia ‚Resle‘ Schleicher (1890 – 1988) stammt.
Nach dem Besuch der Mädchenschule und der Kochschule, die viele junge Frauen absolvierten, um im kaiserlichen Reich eine gute Hausfrau und Mutter zu werden, war das ‚Resle‘ in Freiburgs Wiehre und in Zürich „in Stellung“.
Nach ihrer Heirat mit Wilhelm Keller, einem späteren Oberlokführer aus Weizen, einem hiesigen Flügelrad-Sänger und beliebten Partner im Villinger Schachclub, wohnte die Familie mit vier Kindern in der Marbacher Straße und war schließlich über Jahrzehnte Mitglied bei den Baugenossen am ‚Westbahnhof‘.
Im Jahre 1905 schrieb also die 15-jährige Theresia als Hausmädchen in Freiburg in damals üblicher deutscher Schrift das Rezept für die Fasnet-Kiächle für zwei Personen und berechnete auch die Ausgaben: 66 Reichs-Pfennig.
Man nehme ein halbes Pfund Mehl, Milch, 10 Gramm Presshefe, ein Ei, einen halben Kaffeelöffel Salz, Butter zwei Esslöffel Zucker und ein halbes Pfund Backfett.
In der Mitte des erwärmten Mehles macht man eine Vertiefung und rührt einen Teil des Mehles mit der aufgelösten Hefe zu einem Vorteig an, den man gehen lässt. Hierauf gibt man die zerlassene Butter, Salz, Ei, Zucker und lauwarme Milch unter das Mehl und schlägt den Teig so lange, bis er sich vom Löffel löst.
Zum Aufgehen rechnet man Ein-ein-Viertel Stunden, dann sticht man (aus dem gewellten Teig; Anm.) die Küchlein aus, setzt sie auf ein mit Mehl bestreutes Brett und lässt sie nochmals aufgehen. Nun werden sie leicht auseinander gezogen (zu sog. Scherben; Anm.) und im heißen Fett schön gelb gebacken und mit Zucker bestreut. Zubereitungszeit 3-4 Stunden; Kaffee.
Wie zu jeder Tradition gibt es auch für ‚Fasnet-Kiächle‘ eine historische Betrachtung.
Nach Basler Gerichtsakten von 1540 soll es deswegen zu „Ausschweifung“ gekommen sein, als eine Mendelin Nochbur gegen einen Hutmacher klagte, der ihr die Ehe versprochen habe, als er bei ihr zu Küchlein geladen war. Er beteuerte jedoch, nur Gast und ohne Heiratsabsicht gewesen zu sein.
Und selbst der berühmte Narren-Philosoph Sebastian Brant machte den Narren 1494 in seinem „Narrenschiff“ deutlich: „Man spendet Küchlein in manchem Haus, wo besser wär‘, man bliebe draus.“
Zum Zerfall der Sitten soll es um 1775 gekommen sein, als es heißt „Die Magd ziehe des Knechts Hosen an und der suche Küchlein in der Mägde Kammer. Da gebe es wohl in weniger als einem Jahr Mehl- und Milch-Schreilinge“.
Und all das wegen der „ Pfannen-Kuchen, der Nonnen-Fürtzlein, der Krapfen, der Pfannzelten, der Bauernküchlein, der Scherben und des unsäglichen Geschmeiss mehr.“
Auffällig ist in der zeitlichen Folge die Zutat ‚Zucker‘, der selbst in kleinen Mengen ein Privileg der kirchlichen und weltlichen ‚Prominenz‘ war.
Waren in der Fastenzeit Butter oder Fett verboten, galt aber auch: „Vorschriften können umgangen werden“, weshalb man im ausgehenden Mittelalter beim apostolischen Stuhl ab Aschermittwoch sogenannte Butterbriefe als Fasten-Dispensen erlangen konnte, die den Genuss von Milchprodukten, den Laktizinien, von Fleisch und von tierischen Fetten erlaubten.
Doch noch sind es knapp vier Wochen bis Aschermittwoch.
Ein schöner Beitrag über die Geschichte der Fasnet -Kiaechle und ihre Bedeutung.
Komischerweise gab es in meiner Jugendzeit nur Berliner ( nichts gegen Berlin ).
Man kannte die authentischen Kiaechle oder Scherben einfach nicht mehr.
An einem Fasnet-Tag habe ich eine Bratwurst vom Metzger Bächle gegessen.
Dann einen Berliner.
Kurz darauf wurde mir übel.
Am Pulvertürmle konnte ich alles loswerden.
Es lag bestimmt nicht an der Wurst. Der Bächle war ein guter Metzger.
Aber, seither habe ich Berliner nicht mehr angerührt.