Wo einst das Villinger Jungvieh weidete

Ein wenig verloren im grünen Abseits – In den 60ern dachte man an einen Golfplatz

Nur wenige Spaziergänger und Jogger nehmen den kurzen Bogen einer ‚Wege-Schleife‘ knapp 200 Meter südlich des vorderen nun längst auch sanierten ‚Sandwegle‘. Vorbei an der Stelle, die über 50 Jahre – von 1885 bis Mitte der 30er  Jahre – eine bedeutende Rolle für die langfristige Versorgung der Bevölkerung bedeutete: die Jungviehweide, mit einstigem Wohnhaus, Ställen und Scheune.

Ein recht großes Flurstück im Westen der Stadt, dessen beide Namen „Sauerwasen“ und „Milchwasen“ jedoch Jahrzehnten nahezu vergessen  sind.

Befreit vom Wildwuchs, wo einst die Stallungen standen

Villingen war über Jahrhunderte eine Ackerbürgerstadt: das Vieh wurde in den Straßen an 28 (!) Brunnen getränkt, und Dung und Mist fanden sich überall in den Straßen und in den engen Gassen, da die einzelnen Höfe hinter den Häusern wegen der nötigen Stellflächen und kleinen Gärten keinen Platz boten.

Alles keine Zierde für die Stadt, weshalb die Obrigkeit auch mehr Hygiene und Reinlichkeit forderte:

 

„Dem Bäcker Nepomuk Kammerer wird aufgetragen, dass er bei Strafvermeidung sein in dem sog. Mist-Gässle (heute Webergasse) sitzenden Dunghaufen auf die Hälfte des Mistlagerplatzes reduziere, damit die Passage nicht gestört werde…“

Und deshalb richtete die Stadt „Dunglegen“ ein und verpachteten diese dann auch gegen einen ‚Canon‘, eine Art Erbpacht, zu zahlen an die Stadtkasse: am Romäusturm, am Kaiserturm in der Ankergasse, in der Hafnergasse und außen entlang der Ringmauer.

In jener Zeit zählte man in der Stadt 1505 Rindviecher, davon ein Zehntel Kalbinnen und ebenso viel Jungvieh. Als Gemeinde-Viehweide, die sogenannte „ungeteilte Allmend“ 580 Hektar der „drei Striche“ für Obere, Riet und Niedere Herde.

Von ökonomische Bedeutung war in den 1870er Jahre auch der ‚Landwirtschaftliche Bezirksverein‘, der sich übers Jahr um den Vieh- und Farrenmarkt kümmerte und 1885 für eine Jungviehweide plädierte, was auch die Stadt befürwortete. Auch der Verwaltungsrat der örtlichen Sparkasse übernahm aus den Überschüssen 65 Anteilscheinen an der „Gesellschaft für die Jungviehweide“.

Städtischer Viehwärter um 1895: Handelt es sich um den Herter Xaver Schumpp?

Zehn Jahre lag der Betrieb beim Verein, dann übernahmen die Stadt und eine Kommission die Nutzung: erster städtischer Weide-Wärter wurde Xaver Schumpp.

Im Jahre 1909 sorgte der Auftrieb für besondere Aktivitäten:

vormittags sollen die Rinder und nachmittags die Fohlen angenommen oder eben auch abgegeben werden.

Zugleich soll am Tag des Auftriebs und zu Ende der Weide  „eine Wirtschaft auf der Weide eingerichtet werden, deren Betrieb abwechselnd an hiesige Bierbrauer übertragen wird. Auf diese Weise blieb die Jungviehweide bis nach 1945 in Betrieb.

Vom einstigen Wohngebäude blieb nach 1980 nur ein Abraum-Haufen übrig, den die Natur dort dicht überwucherte. Doch seit Beginn des Jahres 2018 – an eingangs erwähnter Stelle und Flur – wurde der ökologisch ungestörte Flecken von allerlei dichtestem Wildwuchs befreit und vermittelt nun einen, wenn auch kleinen, fast mystischen Eindruck, wie hier einst die Jungviehwärter außerhalb der Stadt lebten und arbeiteten…

 

 

 

 

1 Gedanke zu „Wo einst das Villinger Jungvieh weidete“

  1. Also ich weiß nicht, ob es in Villingen heute mehr Rindviecher gibt.
    Eines aber ist sicher, sie sind in jedem Fall größer. 🙂

    Launige Grüße vom

    Wunderfitz

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