Zeitung in Villingen von 1848 bis 1933

Sie fehlt einem am Sonntag. Man ärgert sich, wenn sie morgens mal später kommt, und es gibt nichts Älteres, als wenn sie von gestern ist: die Tageszeitung.

 In Villingen begann das Zeitungswesen zeitgleich mit der Revolution von 1848.

Buchdrucker Ferdinand Förderer wurde zum ersten Verleger in der Zähringerstadt, worauf er 11 Jahre hatte warten müssen, nachdem laut Ministerialbeschluss vom 25. August 1837 das Unternehmen einer Zeitung „an einem Orte wie Villingen in keiner Rücksicht notwendig und rätlich erscheint“.

Noch blieb es auf die ersten Versammlungen der revolutionären Bewegung ab Februar 1848 in Mannheim in Süddeutschland  im Amtsbezirk Villingen die Tage darauf noch ruhig, doch schon am Sonntag, dem 5. März, schwappte von Konstanz und Engen die demokratische Idee nach Villingen.

Der praktische Arzt Karl Hoffmann, 34 Jahre alt und seit 1839 in Villingen tätig, wurde zum Nestor des lokalen politischen Treibens. Seit 1843 war er im kleinen Ausschuss der Stadt und agierte seitdem „politisch“.

Wie schon in Mannheim postuliert, wo die Bürger ihre Forderungen in Petitionen formulierten, stand auch auf Rang zwei der Villinger Ansprüche die „unbedingte Pressefreiheit“, doch davor noch die Forderung nach Volksbewaffnung.

Zu einem ersten Erfolg kam es, als die badische Regierung die Pressefreiheit kraft Gesetz von 1831 wieder in Kraft setzte. Zugleich auch ein Signal für Villingen: die Bürger der Stadt erhielten ihre Druckerei, in der die erste Villinger Zeitung des Ferdinand Förderer gedruckt wurde.

Die Eröffnung von Verlag und Druckerei-Werkstatt feierte man mit einem Erinnerungsblatt als erste Ausgabe der Zeitung „Der Schwarzwälder“ vom 28. März 1848.

Auf eine zweite Villinger Volksversammlung vom 14. März folgte schließlich auch die Wahl für einen örtlichen Volksausschuss.

Diesem gehörte auch Ferdinand Förderer an, der sich in jenen Tagen noch als Buchhändler bezeichnete, hatte er doch über eine Druckerei in Rottweil noch vor seinem Wirken in Villingen zahlreiche Broschüren zu Tagesfragen herausgebracht. So auch „Des Badischen Volkes materielle Bedürfnisse und Wünsche“.

Beruf beharrlich versagt!  

Wie schwer diese „neue Pressefreiheit“ errungen war, kann man den Worten entnehmen, die Förderer in den Tagen darauf in sein Blatt setzen ließ: „Es ist traurig, aber nur zu wahr, dass es im dritten Dezennium des 19. Jahrhunderts im Großherzogtum Baden eine Regierung gegeben (hat), die einem unbescholtenen Mann beharrlich die Existenz versagte und denselben durch elf Jahre an der Ausübung seines erlernten Berufes hindert.“

Ferdinand Förderer, geboren 1814, war  Sohn des Villinger Bürgers und Katenknechts Mathias Förderer. Förderer sen. war stolz auf seine Heimatstadt und gründete 1876 die Villinger Altertümersammlung, verfasste umfangreiche Aufzeichnungen und verwahrte in verdienstvoller Weise Alt-Villinger Traditionsgut (s. a. Paul Revellio, 1964).

Weit früher hatte Villingen bereits  eine allererste Druckerei in ihren Mauern, die um 1596 einem Egidius Reitter zugeschrieben wird. Ein kleines Brevier von Digasser „Ein geistliches Zeughaus“ entstammt seiner Presse, die im damaligen „Freudenstädtle“, der heutigen Turmgasse, gestanden haben soll.

Doch erst mit Ferdinand Förderer kam es zu gedruckten aktuellen Nachrichten für Villingen, deren Bürger man zuvor allenfalls auswärtige Exemplare mit der Postkutsche herbeigebracht hatte, auch wenn diese dann schon Tage, wenn nicht gar ein, zwei Wochen alt gewesen sein dürften.

Von 1837 an hatte Förderer immer wieder versucht, eine Konzession für eine Buchdruck-Offizin in Villingen zu bekommen, was ihm jedoch in der Zeit des niedergehenden Absolutismus und des aufkeimenden Liberalismus abschlägig beschieden wurde.

Doch Förderer blieb beharrlich, machte unzählige Eingaben, schrieb Gesuche und editierte schließlich „mit größten Opfern an Zeit, Geld und Miseren aller Art“ den lesefertigen „Schwarzwälder“, gedruckt bei Uhl & Co in Rottweil: Ausgabe vom 25. Oktober 1839 – erste Nummer.

Die amtlichen Stellen, wohl auch zermürbt von den dauernden Petitionen dieses Ferdinand Förderer, erteilten ihm darauf 1847 dann aber doch eine Genehmigung mit allen Vorbehalten und Klauseln für Villingen.

Deutscher Hoffnungstag

Obwohl die politisch bewussten Villinger den „Republikanern“ nicht Tür und Tor öffneten, war der „Schwarzwälder“ von Verleger Förderer den Behörden zu liberal.

Wohl auch deshalb, weil er Artikel aus den Konstanzer „Seeblättern“ übernahm und weil Förderers Blatt immer wieder auch zum „Kampfblatt“ politischer Agitation wurde.

Sein Redakteur ‚EBLR‘ machte dies zum Jahreswechsel 1848/49 in einem herausfordernden Gedicht deutlich.
Da hieß es unter anderem:

„In eine sternlos wüste Winternacht ward deutscher Freiheit Hoffnungstag verwandelt,
dem Heiland gleich ward sie verhöhnt, verlacht, gegeißelt und gekreuzigt und verhandelt.“

Als schließlich Karl Hoffmann, der Arzt, als Beteiligter im folgenden Aprilaufstand angeklagt wurde und Förderer zwei Extrablätter für Hoffmanns Rechtfertigung druckte, war das Ende des „Schwarzwälder“ abzusehen.

Zum Verhängnis für Förderers Zeitung wurde die Ausgabe vom 14. Juli 1849, in der er wohl zum Widerstand gegen die preußischen Truppen Stellung nahm, die gegen Baden und die Revolutionäre marschierten, was der Stadt Villingen für mehrere Wochen auch die Besetzung mit den Soldaten des Frankfurter Linien-Bataillons brachte.

So hatte der badische Freiheitskampf ein tragisches Ende gefunden und dem „Schwarzwälder“ des Ferdinand Förderer ein Verbot beschert, das bis 1856 dauern sollte.

Zuchthaus für Revolutionäre

 Mit bedrohlicher Artillerie preußischer Truppen, stationiert auf dem Bickeberg, hatte man den Widerstand der „Pöbelherrschaft“ im zweiten Jahr der badischen Revolution auch in Villingen gebrochen. Dies setzte auch dem Villinger Buchhändler Ferdinand Förderer ein erstes Ende für dessen Zeitung „Der Schwarzwälder“, für  deren Erscheinen er über ein Jahrzehnt gekämpft hatte.

Das „Villinger Wochenblatt“ sollte ab Juli 1849 Ersatz bieten. Redaktion und Zensur standen unter Verantwortung des Gemeinderates und des wieder eingesetzten Bürgermeisters Stern.

Es folgten zahlreiche Verhaftungen und Prozesse gegen die Revolutionäre, zu denen man auch Ferdinand Förderer und den „Revolutions-Bürgermeister“ Johann Schleicher zählte, der sich jedoch dem Urteil von drei Jahren Zuchthaus durch seine Flucht über die Schweiz nach Amerika entzog.

Im Verlauf der Jahre bis 1856 las man in Villingen dann schließlich die neusten Nachrichten aus Stadt und Land in einem sogenannten „Landboten“, der von Konstanz aus verbreitet wurde.

Auch Förderers „Schwarzwälder“ konnte im Februar 1856 wieder erscheinen – die Verhältnisse in Baden hatten sich wieder stabilisiert und Förderer kam aus Furtwangen zurück, „wo er sich bei Verwandten hinter dem Ofen versteckt“ haben soll“ (Albert Fischer).

Als das Villinger Blatt gar zum „amtlichen Verkündigungsblatt“ erklärt wurde (16. 11. 1858), war dies sogar Anlass für eine kleine Feier im Gasthaus „Zum Schwert“, im Volksmund „de Sebel“, in dessen Räumen auch der Gewerbeverein mit seinen 240 Mitgliedern sein Lokal hatte.
Im dortigen Lesezimmer lagen nicht nur 25 Zeitschriften parat – sowohl mit unterhaltenden und politischen Inhalten –es war auch die größte Bibliothek in der Stadt: 1000 Bände waren dem Verein eigen.

Politisch auffälliges Blatt

 Konkurrenz sollte wohl das Zeitungsgeschäft auch in Villingen beleben, und so gründeten die „Ultra-Montanen“ den „Anzeiger für den Schwarzwald und die Baar“.
Die redaktionelle Leitung lag in Händen eines Domänenrates und die Druckerei gehörte einem Lithographen mit Namen Eisele. Auffällig politisch wurde das Blatt durch einen Artikel über ein schwebendes Untersuchungsverfahren gegen den Bistumsverweser Kübel.
Ergebnis: restliche Ausgaben wurden beschlagnahmt.

Acht Tage später war die Untersuchung eingestellt, worauf wenige Tage später auch der Verlag des „Anzeiger“ wirtschaftlich am Ende war.
Neue Impulse setzte 1872 Förderers Schriftsetzer Adolf Brettschneider. Er gründete einen Konsumverein und übernahm zwei Jahre später die Druckerei des Lithographen Eisele.

Hierauf reagierte auch Ferdinand Förderer – er übergibt am 1. Oktober 1874 den Verlag des „Schwarzwälder“ an den Buchdruckfachmann Linsemann, einen gebürtigen Rottweiler.

Dieser verlegt die Druckerei von der Färber- in die Gerberstraße und dort in das Haus des Bildhauers Ummenhofer, der auch als langjähriger Felsenwirt bekannt ist. Linsemann investiert in die Anschaffung eines „ein-pferdigen Gasmotors“ und in eine Johannesberger Schnellpresse.

Doch Linsemann stirbt bereits drei Jahre später mit 37, worauf ein Hauptlehrer namens Otto Bertsche aus Rietheim sich in diesem Metier versucht. Er kommt jedoch nicht zurecht, auch nicht sein Redakteur Josef Herbst.

Drei Monate später verkauft Bertsche an den Buchbinder und Schreibwaren-Händler Carl Görlacher, der für die Redaktion den Hauptlehrer a.D. Gerbis engagiert.

Görlacher hatte seine Buchbinderei zunächst an der Niederen Straße hin zum Marktplatz, wo sich später die Metzgerei Heinemann und in den 50er Jahren die erste Eisdiele von Mario Zampolli um die Kundschaft bemühte.

Von seinem zweiten Standort im Erdgeschoss der „Blume-Post“ verlegte er das Geschäft schließlich vor das Bickentor, der späteren Klischee-Anstalt von Meyle & Müller.

Aufwühlender Kulturkampf

Obwohl Brettschneider, ehemals Förderers Schriftsetzer, sich auf einen  Kompagnon Binder einlässt, geht das Geschäft ein und der „Schwarzwälder“ wird von Buchdrucker Otto Frick übernommen.

Vom Hinterhaus des Anwesens Rote-Bäcker (später Korbwarengeschäft Bauer in der Rietstraße) verlegt Frick die Druckerei in die Färberstraße. Mit Unterstützung angesehener Bürger der Stadt gründet er eine weitere Zeitung für Villingen: das „Villinger Volksblatt“ sollte Abonnenten und Leser bringen.

Als 1893 in der Gerberstraße die alte Schaffnei und das Armenhaus abbrennen, zieht Frick in den Neubau ein. All das zu jenen Monaten „des alle Volksschichten aufwühlenden Kulturkampfes“ (H. A. Neugart).

Als Organ der „Zentrumspartei“ war das neue Blatt von Anfang an Gegenstück zum super-national-liberalen „Schwarzwälder“, den einst Förderer gegründet hatte.

Beim neuen Villinger Volksblatt versäumte man nicht, mit schneidigen Attacken gegen die Konkurrenz los zu ziehen. In der verbalen Schärfe waren zu Wahlzeiten Hieb und Gegenhieb aus den Redaktionen kaum noch zu steigern.

Mit drei Ausgaben pro Woche entwickelte sich das „Villinger Volksblatt“ überraschend gut, was auch der Zentrumspartei eine größere Gefolgschaft brachte. Nicht zuletzt deshalb gewann man auch im Gemeinderat alsbald die Mehrheit.

In der Nachfolge für den  Landtagsabgeordneten Carl Otto unterlag die Partei zwar mit ihrem Kandidaten Benjamin Grüninger dem amtierenden Bürgermeister Heinrich Osiander, doch schon drei Jahre später (1887) hatte man mit dem Villinger Glockengießer den ersten Abgeordneten im Badischen Landtag.

Intellektueller Widerstand

Verleger Otto Frick in der Gerberstraße konnte zwar bis 1902 seine Zeitung ständig ausbauen, doch wegen gesundheitlicher Schwäche verkaufte er 1902 sein Unternehmen an Hermann Müller aus Pfullendorf.

Dieser hatte bereits verlegerische Erfahrung bei der Zentrumspartei und bei den „Furtwanger Nachrichten“ gesammelt, die er als Gazette gegründet hatte.

Müller stellte vom Handsatz auf Maschinensatz um und war damit in der Lage, das Blatt für Villingen und Umgebung täglich erscheinen zu lassen. Das erste Journal dieser Art im gesamten Amtsbezirk.

Es folgte eine Ausgabe für Triberg, mit der man die Anfänge des von Frick ebenfalls gegründeten „Triberger Bote“ fortsetzte.

Hermann Müller starb im Jahre 1919, wonach sich seine Witwe der Aufgabe stellte, das „Villinger Volksblatt“ weiterzuführen. Über ihre Redaktion versuchte sie zwar noch einige Zeit einen intellektuellen Widerstand gegen die „Gleichschaltung der nationalsozialistischen Presse“, doch gab man schließlich auf.

Auch der zu Anfang des Jahrhunderts gegründete Verlag von Spannagel & Todt – mit Sitz in der Rietstraße, später Autohaus Mauch, heute vielfacher Einzelhandel, und später in der vorderen Waldstraße – konnte sich nach 1903 mit dem „Generalanzeiger“ nur kurz behaupten.

Die unternehmerischen Interessen am eigenen Zeitungsverlag wurden wenige Jahre später aufgegeben.

Anstelle aller bisherigen Lokalblätter hatte das „Schwarzwälder Tagblatt“ die parteibestimmt Information und Propaganda im Sinne der NSdAP übernommen. Das Regime bestimmte, was zu lesen war…

(geschildert nach Lorenz Honold, Paul Revellio, Hermann Alexander Neugart und Albert Fischer)

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